Der Drachenthron: Roman (German Edition)
dem Reiter.
Bevor der Reiter abreist, ist eine letzte Entlohnung üblich: ein kleiner Obolus für den Knappen, den Mann oder die Frau, die den Drachen seit seinem Schlüpfen gefüttert, dem Tier Wasser gegeben und ihn aufgezogen hat. Die Drachenprinzen nennen dieses Geschenk das Trinkgeld der Knappen.
23
Schneeflocke
E in Flammenmeer ergoss sich vom Himmel herab und umfing sie und den Kleinen neben ihr. Der Fluss dampfte. Steine zerbarsten in der Hitze.
Sie spürte die Gegenwart der anderen Drachen hoch in der Luft lange, bevor sie sie erblickte. Unterschiedliche Bewusstseinsströme, unterschiedliche Gedanken, die aus unterschiedlichen Geräuschen und Farben bestanden, aber das hatte sie anfangs nicht beunruhigt. Andere Drachen kamen und gingen ständig, und der Kleine schien nie besorgt zu sein. Und dann hatte sie gespürt, wie sich ihre Gedanken veränderten, wie die Farben dunkler und schärfer geworden waren und sich mit Feuer gefüllt hatten. Sie wusste, was als Nächstes folgen würde.
Einen Wimpernschlag bevor die Flammen auf sie herabprasselten, breitete Schneeflocke die Flügel aus und beschirmte ihren Kopf und den des Kleinen neben ihr. Instinktiv. Beschützte ihre Augen und den Kleinen. Der andere Kleine, der wütend gewesen war und laut gezetert hatte, der auf ihrem Rücken geritten und ihr gesagt hatte, was sie tun sollte, war zu weit weg. Sie konnte ihn nicht retten. Da spürte sie, wie seine Gedanken erstarben, und das erfüllte sie ein wenig mit Traurigkeit. Die Kleinen verbrannten so leicht.
Ein zweiter Flammenstrahl traf sie. Das Feuer wärmte sie, jagte ihr jedoch keine Angst ein. Der Kleine hingegen fürchtete sich. War plötzlich von grenzenloser, unsäglicher Verzweiflung erfüllt. Sie konnte sie bei allen spüren, aber besonders bei dem Kleinen neben ihr. Und Schmerz. Der Kleine hatte Schmerzen. Und Panik. Und Todesangst. Die Gefühle des Kleinen überrollten sie förmlich. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. So etwas hatte sie noch nie gefühlt. Schlimme Dinge, vor denen sie am liebsten weggelaufen wäre.
Die neuen Drachen waren immer noch in ihrer Nähe. Sie konnte ihre Gedanken spüren, stechend heiß und erbittert. Die Drachen kreisten über ihnen. Sie wollten zurückkommen.
Sie hob den Kleinen behutsam in ihre linke Vorderklaue und stürzte sich den Fluss hinunter. Mit jedem Schritt gewann sie an Tempo. Einer der anderen Drachen stürzte zu ihr herab. Sie spürte seine Gedanken und hielt den Kleinen eng an sich gepresst, während der Drache über ihr Feuer spuckte.
Die Flammen schossen über ihren Kopf hinweg. Im nächsten Moment erhob sie sich in die Lüfte und schnappte nach seinem Schwanz, drückte den Kleinen aber weiterhin fest an ihre Brust. Er war wie von Sinnen, schrie und strampelte wild. Seine Gedanken waren ein einziges Durcheinander, zusammenhanglos und befremdlich, und weckten ein sonderbares Gefühl in ihr. Als ein anderer Drache an ihr vorbeijagte, biss sie auch nach diesem und schlug mit dem Schwanz nach ihm. Sie spürte seine Überraschung, als er erschrocken ausscherte.
Hoch, hoch, hoch. Schneller und schneller. Weg. Manchmal hatte sie das Gefühl, als wollte der Kleine ihr sagen, dass sie ihn loslassen sollte, aber seine Gedanken waren das reinste Chaos, planlos und wirr und schienen sich zu widersprechen. Drei der neuen Drachen folgten ihr. Sie waren größer als sie. Und wirkten älter. Sie hatten Kleine auf ihren Rücken, die ihnen Befehle gaben. Sie konnte ihre Entschlossenheit spüren, ihre Feindseligkeit.
Ein weiterer Drache tauchte am Himmel auf. Ein Drache, den sie kannte, einer der starken. Einer der Drachen, der aus ihrem Nest stammte. Er schoss wie ein Pfeil herab und prallte in den Drachen, der Schneeflocke am nächsten war, sodass beide in Richtung Erdboden trudelten. Sie hörte die Schreie der anderen Drachen, die im Tal widerhallten, und mit ihnen wallte eine fieberhafte Aufregung in ihr auf. Die Drachen hinter ihr waren alle verschwunden, stürzten spiralförmig in die Tiefe, schnappten und schlugen nach ihrem Nestgefährten.
Auf einmal erspürte sie einen entsetzten Schrei, der im nächsten Augenblick verhallte. Es war einer der Kleinen gewesen. Dann waren sie alle fort, zu weit zurückgefallen, als dass Schneeflocke ihre Gedanken noch hören konnte.
Ihre Aufregung erstarb. Der Kleine in ihrer Klaue war nun ruhiger, und ihre eigenen Gedanken waren nicht mehr so wirr. Ein Teil von ihr wollte zurückkehren und mit den neuen
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