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Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Drachenthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Deas
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ihrer linken Vorderklaue und versuchte, sie zu öffnen. Schneeflocke verstand nicht, was er vorhatte, doch dann erhaschte sie ein Bild aus seinem Bewusstsein, wie sie nachts durch die Luft geflogen war und ihn getragen hatte.
    Ja. Genauso, wie sie hergekommen waren. Vorsichtig verlagerte sie ihr Gewicht auf die Hinterbeine und streckte ihre Vorderklauen aus. Der Kleine nickte und machte Geräusche, und in seinen Gedanken sah sie, dass sie ihn verstanden hatte. Er stieg in ihre Klaue, und behutsam schloss sie ihre Krallen um ihn.
    »Jagen!«, sagte er.
    Jagen . Endlich ein Geräusch, das sie verstand.

24
     
    Eine Erinnerung an Flammen
     
    S ie jagte. Sie aß. Der Kleine aß ebenfalls, und dann erhoben sie sich wieder gemeinsam in die Lüfte. Der Kleine hatte ein Ziel vor Augen, wusste jedoch nicht, wie man dorthin gelangte, weshalb sie weiterhin nach Lust und Laune herumflog, in eine weglose Wildnis aus Felsen und Gesteinsbrocken von der Größe von Burgen. Sie versuchte, auch dort auf die Jagd zu gehen, aber das Land war unwirtlich und leer. Als die Nacht anbrach, fand sie einen Platz zum Landen und schlief ein. Die Träume waren wieder da, so weit entfernt wie eh und je.
    Am nächsten Tag kehrten sie zurück, durch Täler und entlang der Flüsse. Es regnete. Sie mochte es, mochte dieses Gefühl. Der Kleine begann allmählich, ihr zu befehlen, in welche Richtung sie fliegen sollte. Sie verstand seine Gedanken: Links, geradeaus, rechts, hoch, runter . Sie kannte auch die Geräusche, aber wenn sie durch die Luft sausten, verloren sie sich im Wind, und sie musste die Gedanken aus dem Kopf des Kleinen fischen. Sie fragte sich langsam, ob irgendetwas mit dem Kleinen hier nicht stimmte. Die Gedanken der anderen Kleinen, die auf ihrem Rücken gesessen hatten, waren viel klarer gewesen.
    »Wir haben uns verirrt«, sagte der Kleine. Sie verstand ihn nicht, doch sie konnte Besorgnis in seinen Gedanken lesen. Irgendetwas plagte ihn andauernd. Meistens blendete sie diese Gedanken aus.
    Sie hielten nach Drachen Ausschau, fanden jedoch keine. Der nächste Tag brachte nichts Neues. Ebenso wenig der übernächste. Aber nachts, wenn Schneeflocke schlief, begann sich etwas zu verändern. Die Träume rückten näher. Anfangs bemerkte sie es kaum, doch nach ein paar Tagen überkam sie ein sonderbares Verständnis. Sie wollte diese Träume. Mehr als alles andere auf der Welt. Sie waren wichtig. Wichtiger als Nahrung oder Schutz oder selbst als der Kleine. Sie kannte den Grund nicht, sie waren es einfach. Auf diese Offenbarung folgte die nächste. Die Träume würden bleiben, solange sie hier war, weg von den anderen, allein.
    Am folgenden Tag wählte sie ihre eigene Flugroute. Ihr Instinkt führte sie in die höheren Berglagen. Der Kleine war noch aufgebrachter als normalerweise. Er schrie sie an. Er war wütend auf sie, und das wiederum machte sie traurig. Eigentlich sollte sie das tun, was der Kleine wollte, und dieser Kleine war ein ganz besonderer Kleiner, weil er seit dem Tag bei ihr war, als sie zum ersten Mal die Augen aufgeschlagen hatte.
    In dieser Nacht waren die Träume realer als sonst. Sie konnte sie regelrecht riechen und beinahe anfassen. Sie waren voller Feuer und Asche und verbranntem Fleisch. Am Morgen, nachdem sie erwacht war, ließ sie den Kleinen zurück und ging allein auf die Jagd. Sie spürte seine schreckliche Verzweiflung, während er ihr ängstlich nachblickte. Als sie zurückkehrte, wartete er noch genau an derselben Stelle. Freude durchströmte ihn bei ihrer Rückkehr, und er machte viele Geräusche, die sie nicht verstand. Im Schlaf gelang es ihr endlich, die Träume zu berühren.
     
    Sie war ein winziger Teil von etwas Großem. Sie konnte weder sehen noch hören, aber sie konnte die Gedanken Hunderter Drachen spüren, hell und klar. Sie konnte auch andere Lebe – wesen erspüren, die riesig und mächtig waren. Tief unter ihnen vernahm sie das Summen von weniger entwickelten Geschöpfen. Erstaunt erkannte sie, dass es die Kleinen waren, aber das machte eigentlich keinen Sinn, da die Kleinen im Vergleich mit den anderen Drachen dumpf und beschränkt wirkten, wo es doch in Wirklichkeit andersherum war.
    Sie versuchte, den Traum zu verstehen, ihn zu entschlüsseln, aber er verpuffte, und der nächste schob sich an seiner Stelle in ihr Bewusstsein.
    Sie flog. Die Luft um sie herum war mit Drachen erfüllt, und auf jedem Rücken saß ein einziger, in Silber gewandeter Reiter. Sie drehte scharf ab, ließ sich

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