Der Drachenthron: Roman (German Edition)
einzig und allein von Bedeutung, dass wir den Drachen so schnell wie möglich finden.«
Sollos dachte eine Weile nach. Er schien keinen Profit daraus schlagen zu können, die Reiter einfach ihrem Schicksal zu überlassen, doch letztlich gab der Alchemist den Ausschlag, da er ihn mit seinem Namen angesprochen hatte. Laut seufzend rappelte sich Sollos auf. Er machte sich nicht die Mühe, den Reitern zu verraten, wohin er ging, oder einen Blick zurückzuwerfen, als sie ihm nachriefen, sondern gab ihnen lediglich ein Zeichen, ihm zu folgen. Zögerlich kamen sie seiner Aufforderung nach.
Kemir bemerkte den Geruch als Erster. Der Regen hatte mitten am Tag aufgehört, und während der letzten paar Stunden waren sie bei herrlichstem Sonnenschein gewandert. Bis auf seine Füße war Sollos beinahe getrocknet, als Kemir unvermittelt stehen blieb und in die Luft schnupperte.
Sollos blieb ebenfalls stehen und rümpfte die Nase. Da war etwas … etwas, das ihm irgendwie bekannt vorkam.
»Seelenstaub«, murmelte Kemir so leise, dass die Ritter ihn nicht verstanden, die sich ein paar Meter hinter ihnen befanden.
Sollos schüttelte den Kopf. »Nein. Da ist etwas, aber kein Seelenstaub. Seelenstaub riecht anders.«
»Er riecht so, wenn man ihn verbrennt.«
Sollos zuckte mit den Schultern. »Das ist unmöglich.
Wer sollte hier Seelenstaub verbrennen?« Er machte eine ausladende Handbewegung über die leere Landschaft. »Oder siehst du etwa jemanden, der Seelenstaub verbrennt?«
Kemir funkelte ihn böse an. »Nein, natürlich nicht, denn wenn ich es täte, hätte ich ihn dir längst gezeigt. Aber nur, weil du die Scheiße an der Sohle deines Stiefels nicht sehen kannst, bedeutet das nicht, dass es nicht stinkt, und ich versichere dir, das hier ist der Geruch von verbranntem Seelenstaub.«
Fünf Minuten später schnüffelte Sollos erneut. Dieses Mal roch er Rauch.
Die beiden Söldner tauschten besorgte Blicke aus. Dann begann Kemir, so gut es ging, über die rutschigen Felsen zu laufen. Die Reiter riefen ihm aufgeregt nach. Sollos wartete lang genug, um ihnen zuzubrüllen, dass sie die Luft riechen sollten, und folgte dann seinem Cousin. Bei der nächsten Flussbiegung kamen sie schlitternd zum Stehen.
Kemir deutete auf die verbrannte Fläche am Waldrand. »Denkst du, das ist das Dorf, zu dem sie uns bringen wollten?« Einige verkohlte Holzstücke glimmten immer noch. Der ganze übrige Rest lag in Schutt und Asche, doch das war es nicht, was Sollos ins Auge sprang.
»Vergiss das verdammte Dorf!« Er zeigte mit dem Finger flussaufwärts.
Auf den ersten Blick hätte man annehmen können, dass es ein riesiger weißer Gesteinsbrocken war, aber dafür war es viel zu symmetrisch und zu glatt. Als Sollos die Augen zu Schlitzen verengte, sah er, dass der Gesteinsbrocken Augen hatte, die zu ihm herblickten. Noch während er ihn betrachtete, entfaltete der Gesteinsbrocken seine Beine, Flügel und den Schwanz und verwandelte sich in einen Drachen.
Kemir stieß einen leisen Freudenschrei aus. »Finderlohn!«
Sollos berührte Kemir warnend am Arm. »Etwas stimmt nicht. Da ist kein Reiter.«
»Natürlich gibt es keinen. Wir waren doch dort, erinnerst du dich nicht? Als die anderen Drachen angegriffen haben? Feuer, lautes Geschrei, Lebensgefahr? Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«
Sollos machte langsam einen Schritt zur Seite, versuchte die Mitte des Flusses hinter sich zu lassen und den sicheren Wald zu erreichen. Der Drache beobachtete sie, und etwas erschreckend Intelligentes lag in der Art, wie er sie ansah. »Wir haben den Knappen nicht gefunden.«
»Weil er tot ist.«
»Und warum dann das hier?« Sollos bewegte sich schneller. »Drachen speien nur Feuer, wenn man es ihnen befiehlt.«
»Vielleicht war er hungrig.«
»Vielleicht ist er es immer noch.«
Der Drache rührte sich. Sollos packte Kemir und rannte los.
Teil 2
Das Trinkgeld der Knappen
Zehn Jahre lang, während der Drache heranwächst, folgen weitere Geschenke, und all jene Reiter, deren Geschenke keinen großen Anklang finden, werden womöglich eine herbe Enttäuschung erleben. Vielleicht sind die Schuppen des Drachen nicht so glänzend, oder er ist nicht so schnell und wendig, wie sie es sich erhofft haben. Sobald der Drache vollkommen ausgewachsen ist, wird der Reiter dem Nest einen abschließenden Besuch abstatten. Ein allerletztes Geschenk wird überreicht, und dann werden Reiter und Drache einander bekannt gemacht. Der Drache gehört nun
Weitere Kostenlose Bücher