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Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Der Drachenthron: Roman (German Edition)

Titel: Der Drachenthron: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Deas
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Mal zu verbeugen. Es war ein langer Weg über schmale Treppen und wackelige Leitern bis zum Fuß des Turms. Hyram gab sich der Hoffnung hin, dass sein Zweiter Lord ausrutschen und hinfallen würde. Ein gebrochenes Handgelenk oder etwas ähnlich Unangenehmes – nichts Schlimmeres. Obwohl Hyram das stumpfsinnige Gequassel seines Zweiten Lords auf die Nerven ging, käme es ihm äußerst ungelegen, nach Bellepheros auch noch Jeiros zu verlieren.
    Sobald Hyram endlich wieder allein war, ließ er den Blick seufzend über die Hochebene gleiten. Seine Legionen hatten ihre Stellung bezogen, zwanzig Phalangen mit je fünfhundert Mann. Sie würden jeden Tag dort draußen ihre Kampfformation wahren, bis alle Drachenkönige und -königinnen im Palast versammelt waren und der Zeremonie beiwohnten, in der Hyram seine Macht auf jemand anderen übertrug. Ein Teil des Erbes, das jeder Sprecher seinem Nachfolger hinterließ, waren diese zehntausend hervorragend ausgebildeten Soldaten, die nur zum Kämpfen geboren waren. Während er ihnen zusah, mutete es ihn seltsam an, dass so viele Männer jeden Augenblick ihres Lebens dieser Perfektion opferten, und dennoch zufrieden waren, womöglich niemals in die Schlacht zu ziehen. Ihr Gehorsam – so war ihm jedenfalls versichert worden – war blind und unerschütterlich und ihnen von klein auf eingeimpft worden. Sie waren außerdem für ihre Stärke und Furchtlosigkeit bekannt, auf die sie in den Jahren ihrer unbarmherzigen, brutalen Ausbildung gedrillt und die dann von den alchemistischen Elixieren intensiviert wurden, die ihr Bewusstsein von jeglichem Zweifel befreite, der womöglich noch zurückgeblieben war. In ihren Legenden konnten selbst Drachen sie nicht aufhalten. Aber hassten sie ihn nicht im Stillen? Verachteten sie ihn? Sahen sie nicht ihre eigene Manneskraft im Vergleich zu ihm und fragten sich: Wer ist dieser schwache, klägliche König? Wie ist es möglich, dass so jemand uns befehligt?
    Er blickte weg. Vor einem Jahr hätte er solche Gedanken mit einem Lachen abgetan. Vor einem Jahr war er aber auch ein anderer Mensch gewesen. Damals, als er noch stark war und dem Irrglauben verfallen, er sei jünger als sein Alter. Damals, als er noch voller Träume steckte und glaubte, dass seine Tage als Sprecher ewig währten, dass er Shezira dazu bewegen könnte, im Gegenzug für seine Nachfolge in eine Heirat einzuwilligen. Oder, alte Abmachungen und verstaubte Pergamente hin oder her, dass er Aliphera ehelichen und sie stattdessen als neuen Sprecher benennen würde. Damals, als er noch mit jeder Frau nach Lust und Laune schlafen konnte, anstatt hilflos in seinen Laken zu liegen und nach seinen eigenen Exkrementen zu stinken, weil er mal wieder einen seiner Anfälle erlitten hatte und nach seinen Kammerpagen schreien musste, damit sie ihn säuberten.
    Jetzt war Aliphera tot, Shezira wollte ihn nicht, und selbst die Kammerpagen liefen ihm in Scharen davon. In ein oder zwei Jahren würde ihn dasselbe Schicksal ereilen wie König Tyan, der sabbernd und nutzlos herumsaß. Welch Ironie des Schicksals! Zwei alte Feinde, die Seite an Seite, von jedermann vergessen, in ihrer eigenen Speichellache liegen würden. Nein, lieber wollte er einen schnellen Tod sterben. Man sollte ihn in Stücke schneiden und an seine eigenen Drachen verfüttern, wie man es mit den früheren Sprechern getan hatte, bevor Sprecher Narammed den Drachenpriestern die Flügel stutzte.
    Auf einmal vernahm er das Knarzen der Treppe hinter ihm und drehte sich um. Ein Kopf tauchte aus den Tiefen des Turms auf und schob sich ins Sonnenlicht. Auf dem Schädel waren nicht mehr viele Haare zu sehen, und was noch übrig war, war weiß. Das Gesicht darunter sah schmerzgezeichnet und außer Atem aus.
    »Ihr habt mich rufen lassen, Eure Heiligkeit?«
    Hyram schüttelte den Kopf. »N-Nein, Wortmeister Herlian.«
    »Dann werde ich mich zurück in den kühlen Schatten begeben, Eure Heiligkeit, und Ihr könnt unserem lieben Zweiten Lord von mir ausrichten, dass ich ihn eines Tages, sobald er sich mal hinsetzt, kriegen und seine Knöchel mit meinem Stock bearbeiten werde. Ich bin zu alt, um diese verfluchten Treppen zu steigen. Er schien der festen Meinung zu sein, Ihr wolltet die eine oder andere Angelegenheit mit mir besprechen.«
    »In B-Bezug auf Prinz J-Jehal und Königin Z-Zafir, aber das hätte warten können. Doch d-da Ihr nun schon mal hier seid, k-können wir es auch gleich hinter uns bringen.«
    »Wenn es sein muss, Eure

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