Der Drachenthron: Roman (German Edition)
Vermutlich ist es in dieser Hinsicht ganz hilfreich, eine steinharte Haut zu haben, die sich wie bei einer Schlange schuppt .
Reiter Semian und Meister Huros rannten zwischen den Bäumen hervor. Sie schenkten dem Knappen keinerlei Beachtung, sondern gingen direkt auf den Drachen zu. Kemir folgte ihnen und blieb bei Sollos stehen.
»Also schön! Das vereinfacht die Sache natürlich.« Er grinste.
»Sie ist sehr angespannt.«
»Wer?«
»Der Drache, du Idiot. Schau sie dir doch an!«
»Hmm.« Kemir nickte. »Als wollte sie sich gleich wieder aus dem Staub machen. Aber kann man ihr das denn verübeln? Denkst du, sie erinnert sich nach all der langen Zeit überhaupt noch an ihre Ritter? Woher weißt du eigentlich, dass sie eine Sie ist …?«
Sollos brachte ihn mit einem tadelnden Blick zum Schweigen. Der Knappe ging nun langsam auf die Drachenritter zu. Er schien sehr verunsichert zu sein.
»Das reicht!« Reiter Semian hielt eine Hand hoch, und der Knappe blieb gut sechs Meter von ihm entfernt stehen. Der Alchemist und ein Ritter hatten sich neben Semian aufgebaut. Die restlichen Reiter waren weiter auf dem Rückzug und bahnten sich langsam einen Weg in Richtung der Bäume. Sollos folgte ihrem Beispiel.
»Äh, wie lautet dein Name, Knappe?«, rief der Alchemist.
Der Knappe gab eine Antwort, aber Sollos verstand ihn nicht.
»Knappe Kailin. Wir … äh … sind hier, um dich nach Hause zu bringen. Dich und deinen Drachen.«
»Königin Shezira wird dir persönlich danken«, sagte Reiter Semian mit lauter Stimme. »Ihr Drache ist unversehrt und nicht verschollen. Sie wird hocherfreut sein. Vielleicht gibt es sogar eine Belohnung.«
Der Knappe erwiderte etwas. Sollos verengte angestrengt die Augen zu Schlitzen und lehnte den Oberkörper vor, als könnte er dann besser verstehen, was der Knappe sagte.
Da legte ihm Kemir eine Hand auf die Schulter und zog ihn zurück zu den Bäumen. »Mir gefällt die Sache nicht.«
»Hast du gehört, was er gesagt hat?«
»Er sagte Nein.«
Kemir hatte recht. Sollos konnte das an der Körpersprache des Alchemisten und des Reiters ablesen.
»Das ist keine Bitte, Knappe«, rief Ritter Semian. »Das ist ein Befehl!«
Kemir schlich Schritt für Schritt tiefer in den Wald hinein und spannte den Bogen.
Auf einmal trat der Alchemist vor und ging beherzt auf den Knappen zu. Sollos hatte nicht den blassesten Schimmer, was sie da besprachen, nur dass der Alchemist fest entschlossen aussah und der Knappe … nun ja … wenn überhaupt, verblüfft. Zutiefst entsetzt.
Schlagartig veränderte sich die Atmosphäre. Sollos spürte, wie eine unbegründete Wut in ihm aufstieg. Der Knappe redete wild gestikulierend auf den Alchemisten ein und versuchte, ihn dazu zu bringen … stehen zu bleiben? Der Drache hatte sich auf alle viere fallen lassen und war vollkommen still. Eine fiebrige, hitzige Anspannung ging von ihm aus.
Kemir legte Sollos erneut eine Hand auf die Schulter. »Weißt du was? Ich denke, wir sollten noch ein Stück weiter weggehen.«
»Ja.« Sollos machte einen Schritt zurück. Dann einen zweiten. »Ja, das denke ich auch.«
Als sich der Drache bewegte, ging alles so schnell, dass Sollos kaum etwas mitbekam. Kopf und Körper des Tieres blieben genau in der Position, in der sie waren, doch sein Schwanz mit seinen stolzen dreißig Metern schnalzte wie eine Peitsche durch die Luft. Im nächsten Augenblick sauste er nach vorne über den Kopf des Drachen. Die Spitze umschlang den Alchemisten, riss ihn in die Luft und ließ ihn nur Zentimeter vor den gefletschten Zähnen des Drachen baumeln. Für lange Sekunden war jeder wie erstarrt. Allein der Knappe sank auf die Knie und legte sich schützend die Arme um den Kopf. Dann brach das Chaos los.
30
Der Wortmeister
D ie Stadt der Drachen erhob sich hinter dem Adamantpalast und lag eingekeilt zwischen den Purpurnen Bergen und den Diamantwasserfällen. Im Vergleich zu anderen Städten der Reiche war sie sehr klein, aber reich, sie strotzte geradezu vor Juwelen und Rittern, Lords und Ladys. Zu beiden Seiten der Stadt und des Palasts lagen die schimmernden Spiegelseen. Im Südwesten, dem einzigen direkten Zugang zum Reich des Sprechers, schlossen die weiten Ebenen der Hungerberge an, der fruchtbare Kornspeicher der in der Mitte gelegenen Reiche. An einem schönen Tag konnte man von den oberen Fenstern des Turms der Lüfte bis zum Furienstrom sehen, der hundert Meilen südlich der Stadt entlangfloss. Heute hatte allerdings
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