Der Drachenthron: Roman (German Edition)
ist Kemir. Ich bin ein Söldner, der für deine Königin gearbeitet hat, bis einer ihrer Ritter meinen Cousin ermordet hat. Ich will dir helfen.«
Der Knappe blinzelte und rieb sich übers Gesicht. Er wirkte zu Tode erschrocken und gleichzeitig leicht überrascht. Anstatt Kemir direkt anzusehen, starrte er auf einen Punkt über seiner Schulter. Da spürte Kemir eine Kälte in sich aufsteigen. Noch während er sich umdrehte, erhaschte er aus den Augenwinkeln heraus einen flüchtigen Blick auf die Schwanzspitze des Drachen, die auf ihn niederpeitschte. Fluchend tauchte er darunter hinweg, aber der Schwanz war zu schnell. Im nächsten Moment baumelte Kemir in der Luft.
»Knappe! Verdammt noch mal! Pfeif sie zurück! Ich bin hier, um euch zu helfen.«
Helfen? Was bedeutet das?
Der Gedanke schien von außerhalb seiner Selbst zu kommen, doch diese Vorstellung war lächerlich, und Kemir verwarf sie auf der Stelle. »Du hast einen Drachenritter übersehen. Jetzt gibt es mehr von ihnen. Sie folgen euch. Ich habe versucht, sie ein wenig aufzuhalten, aber sie sind euch auf der Spur. Pfeif den Drachen zurück!«
Wie viele kommen?
»Vier Ritter. Nein, fünf. Aber zwei von ihnen sind so schwer verletzt, dass keinerlei Gefahr von ihnen ausgeht.«
Dieses Mal gab es keinen Zweifel. Die Frage war plötzlich in seinem Kopf aufgetaucht, ohne dass der Knappe ein Wort gesagt hätte. »Wie …?«
Der Boden erzitterte. Der Drache baute sich zu seiner vollen Größe auf, hob den Kopf und riss gleichzeitig Kemir höher in die Luft. Der Söldner hing hilflos da, während der Drache schnaubte und knurrte. Ein Schwall warmer, abgestandener Luft umhüllte Kemir.
Wie viele Drachen kommen?
Ganz langsam ließ Kemir den Blick zum Knappen gleiten, der sechs Meter unter ihm am Flussufer stand. Jetzt sah er, dass es sich bei dem Schlafenden um eine Frau handelte, die nun ebenfalls zu ihm hochstarrte. Ihr Gesicht wirkte im Mondschein aufgedunsen und blass. Sie zitterte.
»Knappe. Ich glaube, dein Drache redet mit mir.« Habe ich etwa den Verstand verloren?
Nein. Wie viele Drachen?
»Schneeflocke!« Der Knappe rang verzweifelt die Hände. »Tu ihm nicht weh! Hör auf! Bitte!«
Die Gedanken purzelten so schnell durch Kemirs Bewusstsein, dass sie sich regelrecht überschlugen. Der Drache kann denken. Allein die Vorstellung war Furcht erregend. Der Drache kann hören, was ich denke. Das war noch viel schlimmer. Der Drache hat ein halbes Dutzend Ritter getötet. Das war schon besser. Er hat es getan, weil er es wollte, und nicht, weil es ihm jemand befohlen hat. Das war entweder das Beste oder Schlimmste an der ganzen Sache. Kemir konnte sich nicht entscheiden.
Er betrachtete den Drachen. Eine tiefe Ruhe erfüllte ihn auf einmal, eine Mischung aus Hoffnung und Resignation. Sich einfach in die Hose zu machen würde ihm im Moment jedoch auch nicht weiterhelfen. »Zwei neue Drachen. Einen haben sie dir hinterhergeschickt. Um dich zu überwachen. Der andere holt Hilfe. Morgen Vormittag werden wahrscheinlich ein Dutzend Drachen nach dir suchen. Du willst doch entkommen, oder?«
Ich will meine Artgenossen befreien.
»Mein Name ist Kemir. Ich will dir helfen.«
Nein, Kleiner Kemir, das willst du nicht. Alles, was ich in dir sehe, ist Tod und Vergeltung. Du willst Drachenreiter töten. Ich bin nur Mittel zum Zweck.
»Keine Drachen, keine Drachenritter.«
Der Schwanz drückte ein wenig fester zu. Deine Angst hat einen stechenden, köstlichen Beigeschmack. Wie willst du mir helfen, Kleiner Kemir?
Kemir versuchte, sich aus dem festen Griff des Drachen zu winden. Er konnte zwar die Arme bewegen, doch all seine Bemühungen waren vergebens. Allerdings hatte er immer noch das Messer, mit dem er den Knappen bedroht hatte. Wenn ich es dem Drachen in den Schwanz ramme, würde er mich dann fallen lassen? Würde er es überhaupt be – merken?
Ich würde dich zerquetschen, noch bevor du mit der Wimper zuckst, Kleiner Kemir. Noch einmal: Wie willst du mir helfen?
»Ich werde dir helfen, Drachenritter zu töten. Auf jede erdenkliche Art.«
Ich will keine Drachenritter töten. Ich will meine Artgenossen befreien.
»Dann werde ich dir helfen, Alchemisten zu töten. Du hast mich gefragt, wo sie sind. Ich kann es dir verraten.«
Der Drache sah ihn lange an und setzte ihn schließlich behutsam auf die Erde. Dann haben wir eine Übereinkunft, Kleiner Kemir. Alchemisten. Abgemacht. Der Drache drehte sich um und blickte zum Knappen, doch Kemir hörte weiterhin
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