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Der Drachenwald

Der Drachenwald

Titel: Der Drachenwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anu Stohner
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Stillen, aber ich ließ mir natürlich nichts anmerken. Sowieso sollte ich vielleicht aufpassen, was ich sagte. Gerade war ich ja haarscharf an einer Blamage vorbeigeschrammt.
    »Okay«, sagte ich, und so, wie sie mich danach anschauten, wusste ich noch ein bisschen mehr über die beiden, nämlich dass sie kein Englisch konnten. Aber da gab es noch ein paar andere Dinge, die ich gern gewusst hätte.
    »Darf ich euch was fragen?«, fragte ich.
    »Aber ja, Tim«, sagte die Prinzessin.
    Noch nie hatte jemand meinen Namen so schön ausgesprochen.
    |97| »Der Mai   …«, sagte ich, »…   äh, dein   … also Hubert   – weiß jemand, dass er   … dass ihr   …?«
    Oh Mann, war ich ein Dödel, das gab’s doch nicht!
    »Nein«, sagte die Prinzesin wieder mit dem Blick schräg nach oben, wo der Maikäfer den Kopf schüttelte.
    »Und es darf auch niemand wissen?« Das war jetzt nicht wirklich eine Frage, aber die Prinzessin beantwortete sie trotzdem.
    »Nein. Später vielleicht mal, jetzt noch nicht.«
    »Das heißt, du hast ihn als eine Art Leibwächter zu dir eingeschleust oder so?« Dass moderne Prinzessinnen sich gut mit Leibwächtern verstanden und Fitnesstrainern und so, hatte ich mal im Fernsehen gesehen.
    »Ich musste ihn nicht einschleusen«, sagte die Prinzessin. »Er
war
mein Leibwächter, und dann   …«
    »Nächste Frage«, sagte ich, bevor sie mir was erklärte, was ich gar nicht wissen wollte. »Wen haben sie außer der unglücklichen Sieglinde noch mitgenommen?«
    »Niemanden«, sagte der Maikäfer, obwohl ich ihn gar nicht gefragt hatte.
    »Das hast du genau gesehen?«, fragte ich.
    |98| »Ja«, sagte er.
    »Du warst nicht zu aufgeregt?«
    So. Das hatte sein müssen. Das hatte er verdient.
    »Nein«, sagte er mit seinem Schönlingslächeln, aber mich konnte er nicht täuschen. Innerlich ärgerte er sich grün und schwarz. Innen grün und schwarz und außen kackbraun   – was die Prinzessin an so einem fand, wurde mir immer schleierhafter.
    »Er wollte sogar hin, sich ein Kutschpferd ausspannen und hinter den Raubrittern herreiten«, sagte die Prinzessin.
    Wer’s glaubt, dachte ich. Aber das sagte ich natürlich nicht. Ich fragte nur:
    »Und warum hat er’s nicht getan?«
    »Weil ich ihn darum gebeten habe«, sagte die Prinzessin. »Ich fand, wir sollten uns im Wald verstecken, falls die Raubritter ihren Irrtum bemerkten und zurückkamen.«
    »Okay«, sagte ich, denn das war wohl das vorläufige Ende der Geschichte. Die Frage war nur, wie es weitergehen sollte. »Wir müssen zurück«, hatte der Maikäfer vorhin gesagt. Und ich fragte ihn jetzt:
    »Wohin zurück?«
    |99| »Wie?« Er verstand nicht. Er war auch noch schwer von Begriff!
    »Du hast gesagt, ihr müsst zurück«, sagte ich so langsam, wie man mit solchen Langsamcheckern redet. »Und ich wollte wissen,
wohin
zurück. Zu eurem Tross? Meinst du, die sind noch da? Vielleicht hatten die ja auch Angst, dass die Raubritter zurückkommen, und sind weitergefahren.«
    »Sie sind zur Burg auf der anderen Seite der Landstraße«, sagte die Prinzessin, »das haben wir noch gesehen. Dort wollen wir auch hin. Wir wollten nur warten, bis es dunkel wird. Und dann haben wir die Drachen gehört, von denen wir noch nicht wussten, dass es welche waren, und gleich darauf bist du an uns vorbeigeflitzt.«
    Hier machte die Prinzessin eine kleine Pause, nur um mich wieder zuckersüß anzulächeln. Wahnsinnig zuckersüß.
    »Ich?«, fragte ich, als wäre ich genauso schwer von Begriff wie der Maikäfer. Aber ich wusste natürlich, wovon sie sprach. »Vorbeigeflitzt«, hatte sie gesagt. Das hörte sich nicht schlimm an, aber sehr cool konnte ich bei meinem Paniklauf nicht ausgesehen haben.
    »Ja, Tim«, sagte die Prinzessin. »Und weißt du, Tim   …«
    |100| Zweimal »Tim« hintereinander! Es war kaum auszuhalten.
    »…   ich wollte schnell weg, weil ich dachte, das, was so fürchterlich brüllt, wäre vielleicht hinter dir her. Aber Hubert meinte, du sähst nicht aus wie jemand, der vor was davonläuft, eher wie jemand, der Gefahren mutig entgegentritt. Und dann bist du, wem immer du mutig entgegentreten wolltest, unglücklich gegen den Baum geknallt, und er wollte erst recht dableiben und dich retten.   – Ihr seid beide sehr tapfer, du und Hubert, und ich bin froh, dass ihr bei mir seid.«

    |101| Ich weiß nicht, wie es euch gegangen wäre, aber ich war auf einmal ganz blöd im Kopf. Ich wusste nämlich nicht, wie man gleichzeitig vor Glück fast

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