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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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Fenstersturz waren damals die 14 Unglücklichen entweder beim Aufprall ums Leben gekommen oder von der wartenden Menge mit Lanzen aufgespießt worden. Dass diesmal alle drei lebend davonkamen, mag man im Nachhinein als Indiz für den Dilettantismus der Rebellen werten. »Sie hoben ihn hoch und warfen ihn samt Schwert und Dolch, aber ohne Hut, Kopf voraus aus dem Fenster in die Tiefe des Burggrabens«, heißt es in einem katholischen Propagandaartikel über Martinitz. Im Flug habe der Graf schon den Himmel sich öffnen sehen; doch »seine Anrufung der Jungfrau Maria und Gottes Schutz bewahrten ihn vor allem Übel, trotz seines schweren Leibes«. Die Heilige Jungfrau höchstselbst habe den Dickwanst in ihren Umhang gehüllt und wohlbehalten am Boden abgesetzt.

    Quelle: SAMMLUNG RAUCH / INTERFOTO
    Handgreiflichkeit mit Folgen:
    Der Prager Fenstersturz forderte den Kaiser heraus
    (Holzschnitt aus der »Warhaftigen Zeitung« von 1618)
    In Wirklichkeit ging es natürlich profaner zu: Wegen der ungewöhnlich kühlen Jahreszeit trugen die drei dicke Mäntel, zudem wurde der Fall mehrfach unsanft gebremst. Vor Prellungen und Stauchungen dürften die kaiserlichen Statthalter also nicht einmal sämtliche Heiligen bewahrt haben; Slavata erlitt zudem schwere Kopfverletzungen. Doch alle drei kamen mit dem Leben davon. Der Sekretär Philipp Fabricius wurde später geadelt mit dem Namenszusatz »von Hohenfall« – die Minister in Wien hielten auch in schwierigen Zeiten auf Humor. Schwierige Zeiten brachen nun an, auf beiden Seiten. Was genau bedeutete der Aufstand eigentlich? Die Diplomaten mahnten zur Ruhe und zum Nachdenken: Bot das Reich nicht zahlreiche Instanzen für die Kompromisssuche? Die Militärs hingegen rüsteten zum Krieg, für alle Fälle.
    In Prag wählten sich die Stände eine provisorische Regierung und ermächtigten Thurn zum Aufbau eines Heeres von 16.000 Söldnern. Zwei Apologien im Mai und Dezember 1618 betonten den Charakter der Revolution als Kampf gegen katholisch-habsburgischen Zwang – ein Wink an die Stände Ungarns und Österreichs, denen Ähnliches drohte. Katholiken durften zunächst in ihren Ämtern bleiben; schließlich hatten einflussreiche katholische Adlige den Aufstand unterstützt, darunter ein Familienangehöriger Wilhelm Slavatas. Opponierende Städte wie Krumau und Pilsen wurden belagert und auf Linie gezwungen. Budweis aber hielt aus und erwies sich als dauerhafte Beeinträchtigung für die Feldzüge gegen Österreich. In Mähren gewannen die katholischen Abweichler desto mehr an Einfluss, je mehr Steuern die Prager Regierung einzutreiben versuchte.
    »Der Aufstand gegen die Habsburger stellte den Versuch dar, eine chronische soziopolitische Krise zu lösen«, analysierte der Historiker Josef Polišensky. Aber gab es denn eine Lösung? Zur Tragik der Aufständischen gehörte ja gerade, dass sie keinen Masterplan besaßen. In Sachen der künftigen Staatsform und Machtverteilung war man sich nur darin einig, nicht Teil des Habsburger-Reiches bleiben zu wollen, das immer deutlicher absolutistische Züge annahm. Teil des europäischen Konflikts wurden die Rebellen dann zwangsläufig. Ferdinand bekam von seinen Verwandten in Spanien großzügig Truppen und Geld; die Böhmen baten ihre protestantischen Glaubensbrüder um Hilfe. Herzog Karl Emanuel von Savoyen und der Pfälzer Friedrich machten tatsächlich Mittel für eine Söldnerarmee locker. Damit ließ sich ein erster Ansturm des Österreichers abwehren. Zweimal schaffte das böhmische Heer sogar den Marsch nach Wien, ohne indes Ferdinand ins Wanken zu bringen.
    Die innere Uneinigkeit zwischen Katholiken und Lutheranern, Böhmen und Mähren, Adligen und Stadtbürgern schwächte den Aufstand. Es fehlte an einer politischen Strategie; mit der böhmischen Aristokratenrepublik konnte man bei Schlesiern, Lausitzern und Mähren keinen Staat machen. Deshalb der Rückgriff auf die Wenzelskrone, die nach Ferdinands Absetzung reihum unter den protestantischen Herrschern feilgeboten wurde. Der Savoyer Karl Emanuel, Fürst Gábor Bethlen von Siebenbürgen und der Sachse Johann Georg, allesamt erfahrene Staatsmänner, lehnten ab. Der 22-jährige Kurpfälzer Friedrich hingegen ließ sich nicht lang bitten. Dabei mahnte das protestantische Bündnis ausdrücklich zum Kompromiss mit Wien.
    Dort war im März 1619 Kaiser Matthias gestorben. Das Interregnum hätte nochmals Gelegenheit zum Nachdenken geboten, doch die Zeit für Kompromisse war vorbei. Ende

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