Der Dreissigjaehrige Krieg
wichtiges Resultat erbringen.
Als der Oranier 1647 starb, war das Vertragswerk schon weit gediehen. Ein Jahr später besiegelte man es; Spanien verzichtete endgültig auf den Norden seiner früheren Kolonie an Maas und Rhein. Acht Jahrzehnte Feindseligkeiten, die 1568 mit dem Aufstand Wilhelms von Oranien begonnen hatten, waren überstanden, die Niederlande unangefochten ein souveräner Staat – auch wenn verstockte Calvinisten jetzt und später jede Friedensfeier ablehnten.
Fast wäre dem langen, blutigen Weg in die Unabhängigkeit auch einer der genialsten Wissenschaftler des Landes zum Opfer gefallen: Hugo Grotius aus Delft, der schon als Kind intellektuelle Glanzleistungen vollbracht hatte und dessen Hauptwerk »De jure belli ac pacis« zum Grundstein des modernen Völkerrechts werden sollte. Grotius (1583 bis 1645), ein vehementer Fürsprecher des Ausgleichs zwischen den Konfessionen, zählte zu den Beratern, die 1618 mit Johan van Oldenbarnevelt verhaftet wurden. Bald darauf fand er sich zu lebenslanger Haft verurteilt und im Wasserschloss Loevestein eingekerkert. Glücklicherweise durfte der Gelehrte sich Bücher in die Zelle schicken lassen, viele Bücher. Und so schleppten die Bediensteten 1621 wieder mal eine Kiste durchstudierter Bände fort, ohne zu merken, dass unter den Schwarten deren Leser kauerte. Verständlich, dass Grotius nach dieser mutigen Flucht seine Heimat vorerst nicht mehr betreten mochte, wie stolz und eigenständig sie nun auch immer war.
HUNGER, FLÖHE, HASS
Erst die Verkettung vieler Unglücksfaktoren
hat das Desaster heraufbeschworen.
Eine der Ursachen war die »Kleine Eiszeit«.
Von
Georg Bönisch
C ausa belli, Kriegsvorwand, Kriegsanlass – Kriegsgrund. Das Warum, die Frage aller Fragen. Nie zuvor in der deutschen Geschichte hatte es eine längere Periode friedlicher Zeiten gegeben als jetzt, immerhin währte sie von 1555 bis 1618. Und dann: Verzweiflung, Verbitterung, Verelendung, Terror und Tod.
Warum? Warum mussten Millionen Menschen sterben, warum wurden ganze Landstriche verwüstet und entvölkert? Während der vielen Schlachten, bei Raubzügen, in Feuersbrünsten, auch als Opfer von Seuchen? Gewiss, dieser Krieg gilt als ein Krieg zwischen Christen: hier Katholiken, da Protestanten. Und jede Partei hätte für sich reklamieren können, einen »gerechten Krieg« geführt zu haben, wie ihn einst der römische Staatsmann und Philosoph Marcus Tullius Cicero definierte oder Jahrhunderte später der Kirchenvater Augustinus. »Gerecht« war ein Krieg immer dann, wenn er des Seelenheils wegen geführt wurde.
Ein ganz spezieller Glaubenskrieg also unter dem Dach einer Religion? Oder doch ein Krieg, der stattfand, weil die »Feudalgesellschaft« kriselte? Weil der große wirtschaftliche Aufschwung Europas im 16. Jahrhundert »die sozialen Spannungen verschärfte«, so die These des Geschichtsforschers Heiner Haan, und die »feudalen Führungsschichten« dazu verleitete, ihren »Anteil bei der Verteilung des Sozialproduktes zu vergrößern«? Was sich am »rationellsten und schnellsten« durch einen Krieg habe machen lassen?
Diese durchaus marxistisch grundierte Beschreibung widerstrebt wahrscheinlich den allermeisten Historikern. Nein, nein, hält zum Beispiel Haans Kollege Axel Gotthard dagegen. Der Krieg sei ausgebrochen, weil die konfessionellen Gegner nur noch übereinander schrieben, statt miteinander zu sprechen, und damit die Verfassungsorgane des Reiches zunehmend blockierten. »Die politische Kommunikation im Reichssystem um und nach 1600 war großflächig gestört«, und diese »Sprachlosigkeit« habe zwangsläufig dazu geführt, »die Waffen sprechen« zu lassen. Kein Krieg aus wirtschaftlichem Interesse also. Ein Konfessionskrieg. Gotthards Kollege Johannes Burkhardt, einer der führenden Kenner dieser dunklen Jahrzehnte mitten im Herzen Europas, ist da völlig anderer Meinung. Er diagnostiziert für jene Zeit eine »frühneuzeitliche Kriegsverdichtung«, gerade weil es noch kein etabliertes europäisches Staatensystem gab. Und »wenn es sich um unfertige Staaten handelte«, sagt Burkhardt, stehe »nicht die staatliche Organisation, sondern eher ihre Unfertigkeit unter dem Verdacht, der kriegstreibende Schwachpunkt zu sein«.
Kein Staatenkrieg mithin. Sondern, und damit schuf der Wissenschaftler ein neues Wort: »Staatsbildungskrieg«. Der religiös-konfessionellen Variante misst er vergleichsweise wenig Bedeutung bei, konzediert freilich alles in allem eine
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