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Der Dreissigjaehrige Krieg

Der Dreissigjaehrige Krieg

Titel: Der Dreissigjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper Johannes Saltzwedel
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Erkenntnis, zeigen an, dass die Wärmeabstrahlung des fernen Zentralgestirns Richtung Erde abnimmt. Das Misstrauen der damals lebenden Menschen galt genauso den am Himmel streifenden Kometen. Oder Erdbeben. Daniel Schaller, ein Pfarrer aus Stendal in der Altmark, protokollierte mindestens elf schwere Erschütterungen seit dem Jahr 1510 – und folgerte, sie seien »gewisslich Vorträb des Jüngsten Tages und letzten Erdbebens, darin /alle Toten aufwachen /aus ihren Gräbern herfür gehen /vor den Richterstuhl Jesu Christi«.
    Und der Geistliche will bemerkt haben – auch dies ein historisch-handfester Hinweis auf die dramatisch veränderte Wetterlage –, dass »das Holz im Walde« nicht »mehr wächset wie in Vorzeiten«, es sei »so vertrocknet und verdorret … Ja, Kalk, Leim und Stein ist nicht mehr so fest als ehemals gewesen … Eisen und Stahl nicht mehr so hart … darum muss ruina mundi vor der Tür sein«. Ruina mundi, der Einsturz der Welt, das Ende. Das könnte ein Krieg nie gekannten Ausmaßes sein. Vielleicht aber könnte er auch das Ende hinauszögern.
    Aus moderner Sicht sind solcherlei Vorstellungen schwerlich nachvollziehbar, doch existierten sie in den Köpfen der meisten Menschen. Jedwedes Ereignis, sei es Blitz oder Donner, sei es zu viel Regen oder zu wenig, sei es zu warm oder zu kalt, wurde als Symptom der Weltlage insgesamt gedeutet – und zudem eingeordnet in ein persönliches Sündenregister. Nur der da oben blieb regelmäßig außen vor. Es kann durchaus sein, dass all dies die Charaktere formte, bis hin zu religiösen Verwerfungen, die wohl auch jene beispiellose Welle der Hexenverfolgungen auslösten. Mit Sicherheit führten eine »fatale Anhäufung struktureller Gegebenheiten« (so der Historiker Heinz Schilling), demografischer Wandel eben, massive Krisen der Versorgung in Zeiten widriger Klimaverhältnisse, Hunger also und Epidemien, zum radikalen Umbruch der Gesellschaft. Parallel dazu polarisierten sich, trotz (oder gerade wegen) des Augsburger Religionsfriedens, immer stärker die Konfessionen.
    Ein explosives Gemisch – und fast wäre es schon früher hochgegangen, über eine Dekade vor dem Prager Fenstersturz. Im süddeutschen Donauwörth, damals Schwäbischwerd, einer von jenen acht Freien Reichsstädten, in denen die Anhänger beider Konfessionen sich lange gegenseitig duldeten. Hier die protestantische Mehrheit, da die katholische Minderheit, nur ein gutes Dutzend Familien.
    Welche religiös-politischen Rechte diese Minderheit besaß, war nirgendwo schriftlich festgehalten. Wohl deswegen hatten es die katholischen Geistlichen auch nicht gewagt, an Feiertagen vor aller Augen Prozessionen zu organisieren, sie verkrümelten sich auf Seitengassen. Dann, am Markustag 1606, dem 25. April, für Bauern ein entscheidender Tag (»Leg erst nach Markus Bohnen /er wird’s dir reichlich lohnen«), zeigten sich die Katholiken plötzlich selbstbewusst in aller Öffentlichkeit. Und es kam zum Eklat. Schwäbischwerds Protestanten, die wie alle ihre Glaubensgenossen Prozessionen verabscheuten, griffen sich die Fahnen der Katholiken und schleiften sie durch den Straßenkot, ein fürchterliches Sakrileg. Und als ihre katholischen Mitmenschen aus der Ortschaft zogen, schrien sie hinterher: »Die Friedensstörer, die Pfaffen, die Abgötter, die Halunken, sie mögen sehen, wie sie wieder hereinkommen.«
    Der Augsburger Bischof beschwerte sich, der Kaiser drohte, verhängte alsbald über die Stadt die Reichsacht, schließlich ließ er (katholische) Truppen einmarschieren. Schwäbischwerd war, wie es der Name sagt, ein schwäbisches Gemeinwesen, und doch exekutierte in Gestalt von Herzog Maximilian ein bayerischer Fürst die Strafe, robust und rücksichtslos. »All das«, analysiert der Historiker Gotthard, »musste Deutschlands Protestanten empören, auch, und zumal in Süddeutschland, ängstigen.«
    Es ist ein Erklärungsansatz unter vielen, ob die Donauwörther Ereignisse wirklich, wie von manchen vermutet, den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges mit vorbereiteten. Wenige Jahre danach, 1617, jährte sich zum hundersten Mal Martin Luthers revolutionärer Akt. In seinem »Zeytregister« vermeldete ein Ulmer Chronist: »Dieses Jubelfest ist ein Anfang des Krieges gewesen, wie bey den catholischen Scribenten weitläuffig darvon zu lesen ist, da das Jubelfest sie übel in die Augen gestochen hat.«
    Auch dies ein Erklärungsversuch, und so addieren sich die Modelle auf: Glaubenskrieg,

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