Der Dreissigjaehrige Krieg
Wirtschaftskrieg, Staatsbildungskrieg, Sprachlosigkeit, »Kleine Eiszeit«, Hunger und Verderben und vielleicht unausgesprochen die Überzeugung, ein gewaltiger Schnitt nur könnte eine Lösung bringen – irgendwie.
Geschichtsprofessor Burkhardt, der als causa belli die Geburtswehen der »Staatsbildung« ausgemacht hat, sagt auch, die Forschung müsse »ihre Aufgabe noch einmal tun« und sich nach all jenen »exogenen Kriegsursachen fragen lassen, die von Anfang diesen Großkonflikt bestimmt haben«. Ein ehrliches Bekenntnis. Burkhardts Kollege Gotthard resümiert es genauso ehrlich, nur etwas knapper: Bis heute sei diese Zeit einfach »unterbelichtet«.
DER FROMME EIFERER
Unnachsichtig stritt Ferdinand II. von Habsburg
für den Katholizismus – obwohl er auch Kaiser der
deutschen Protestanten war. So wurde er zum
Antreiber des mörderischen Konflikts.
Von
Angelika Franz
M aria von Bayern weiß, was sie will. Ein anständiger Katholik soll aus ihrem Jungen werden. Dafür aber pflegt ihr Mann, Erzherzog Karl II. von Innerösterreich, einen nach ihrem Geschmack viel zu laxen Umgang mit Andersgläubigen. Gerade haben ihm protestantische Adlige ein kostbares Gebetbuch überreicht, den Landesherrn gar zu ihrem ketzerischen Gottesdienst eingeladen – und Karl macht Anstalten, tatsächlich hinzugehen. Höchste Zeit, ihm eine Lektion zu erteilen. Als der Erzherzog am Morgen aus seinem Gemach tritt, sieht er seine Frau, reisefertig angezogen, mit dem Sohn im Schlepptau. »Wo gehen Euer Liebden mit dem Kinde hin?« »Nach Bayern in meine Heimat«, soll ihm Maria entgegengegiftet haben, »denn hier ist in diesem Augenblick sein Seelenheil höchst gefährdet.«
Der Hieb sitzt. Fortan macht Karl einen großen Bogen um protestantische Gotteshäuser. Und aus dem Sohn wird tatsächlich ein frommer Katholik: Lieber wolle er Land und Leute verlieren und im bloßen Hemde von dannen ziehen, als der heiligen katholischen Religion zum Nachteil handeln, erklärt Ferdinand, kurz bevor er als 18-Jähriger selbst Erzherzog Innerösterreichs wird.
Quelle: BRIDGEMANART.COM
Porträt Ferdinands mit 17 Jahren
(Gemälde von 1595)
Sein Leben lang wird er dabei bleiben, als Erzherzog wie als König von Böhmen, als König von Ungarn, als König von Kroatien – und schließlich als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. So sehr hält Ferdinand daran fest, dass er ganze Länder ihrer protestantischen Eliten und deren Wohlstands beraubt. So sehr, dass er das Reich immer wieder in Konflikte hineintreibt, die Leid und Tod über Europa bringen. Seine Mutter wäre stolz auf ihn gewesen, hätte sie den Krieg noch erlebt. Bei Ferdinand – dem 6. von 15 Kindern – war ihre Erziehung ein Erfolg. Aus dem gut erhaltenen Briefwechsel der beiden wird deutlich: Der spätere Kaiser war ein ausgesprochenes Mamakind. Als Ferdinand fast 20 Jahre alt und bereits Landesherr ist, vertrödelt er sich einmal auf der Heimreise von Italien um einige Tage. »Ich bitt Eure Fürstliche Durchlaucht um Gottes Willen«, schreibt der Herrscher daraufhin unterwürfig an seine Mutter, »seid halt nicht zornig auf mein Ausbleiben, mir ist von Herzen leid.«
Familie wurde traditionell großgeschrieben bei den Habsburgern, deren innerösterreichischer Nebenlinie Ferdinand entstammte. Die erfolgreiche Heiratspolitik innerhalb der Sippe barg allerdings das Risiko inzuchtgeschädigter Nachkommen. Auch der junge Erzherzog war erblich gefährdet. Sein Namenspate Ferdinand I. war sein Großvater väterlicher- wie auch sein Urgroßvater mütterlicherseits.
Zur Ausbildung schickt Mutter Maria ihren Sohn energisch aus dem heimischen Nest Graz fort: Zu groß sei hier die Gefahr, dass Protestanten die zarte Seele des nunmehr Elfjährigen vergiften. Ferdinand kommt nach Ingolstadt. Hier formen die Jesuiten mit fester Hand den adligen Nachwuchs Süddeutschlands. Am Gymnasium und an den Universitäten herrscht Disziplin; Alkoholexzesse oder Raufereien sind streng verboten. Die Studenten dürfen sich stattdessen an Gottesdiensten oder Prozessionen erbauen. Ferdinand gefällt das. Der Jüngling, den Zeitgenossen als unselbständig, verzagt und grüblerisch beschreiben, fühlt sich geborgen in den festen Bahnen jesuitischer Zucht. Treu hört er jeden Morgen die Messe – eine Gewohnheit, die er sich bis zum Tod bewahren wird. Und da der Knabe eine schöne Stimme hat, kann ihn die Gemeinde der Pfarrkirche St. Mauritius sogar öfter als Vorsänger beim Gottesdienst
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