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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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der Krankenschwester, die er aufklärte: » Paisans .« » Confrères .« »Kumpel.«
    Über einen Mangel an Zuwendung von Rays Seite konnte ich mich wahrlich nicht beklagen. Er gebärdete sich wie der Intimfreund der Gastgeberin. Komprimierte den Müll, schenkte nach, wischte Verschüttetes auf, plauderte mit den Mauerblümchen. Diese Rolle wäre auch diesmal wieder mir zugekommen, wenn sich mir die Küche und die Häppchen - verwandte Einsatzgebiete - nicht als Rückzugsmöglichkeiten geboten hätten. Vielleicht hatte Ray ja zu viele Sitcoms gesehen, in denen Vorstadtehemänner sich von ihren Gästen davonstehlen, um den geschürzten Gastgeberinnen/Ehefrauen einen Kuss auf die Wange zu hauchen. Immer wieder musste ich fragen: »Warum tun Sie das?«, und ihn genau wie meine Mutter meinen Vater abschütteln und hinausscheuchen. Das beeindruckte ihn wenig, ja wenn überhaupt, ermutigte es ihn, sich darüber auszulassen, dass körperliche Nähe mich anscheinend verunsicherte.
    »Ich weiß, dass Männer triebgesteuerte Wesen sind, und ich weiß auch, dass Sie lange alleine waren, trotzdem finde ich ihre Art ein wenig zu vertraulich.«
    Zum Glück wurden wir unterbrochen. Leo steckte immer wieder den Kopf zur Tür herein, um mich daran zu erinnern, dass nebenan eine Party im Gange war, und ich Geschirr Geschirr sein lassen solle.
    »Schauen wir doch mal nach unseren Gästen«, forderte Ray mich fröhlich auf.
    Leo hatte tatsächlich seine »Blut«-Reserven angezapft, und die Ausbeute war für das übrige Publikum von großem genetischen Interesse. Einer seiner Brüder hatte schwarzes Haar und eine ungewöhnlich helle, rosige Haut für ein männliches Wesen, das die Pubertät bereits hinter sich hat. Ein anderer hatte zwar Leos Körperbau und roten Teint, doch sein kantiges Gesicht und die braunen Augen schienen aus einem anderen Genpool zu kommen. Die Frawleys tasteten sich äußers t vorsichtig an die Ray-Russo-Riege heran. »Und woher kennen Sie Leo?«
    »Mein Cousin ist der Freund seiner Mitbewohnerin.« Ich berichtigte das Missverständnis mit dem Hinweis, Ray und ich seien nur Bekannte.
    Der Cousin grinste. »Wenn Sie das sagen.«
    Ich erklärte dem Bruder, dass Ray vor einem Jahr seine Frau verloren hatte und eben erst wieder anfing, unter Menschen zu gehen.
    Cousin George sagte: »Er war ihrem Andenken wirklich treu. Hat nichts unternommen, bevor sie sie offiziell für tot erklärt haben.«
    Ich erzählte ihm, was Ray mir erzählt hatte: von dem Unfall, dem Schädeltrauma, den lebenserhaltenden Maßnahmen, der furchtbaren Entscheidung. Als ich George fragte, ob irgendeines ihrer Organe gespendet wurde, sagte er: »Hm. Da müssen Sie Ray fragen.«
    Ich fragte, ob sie angeschnallt gewesen wäre.
    »Das bezweifle ich.«
    Leo tat jetzt, was er bereits in der Planungsphase für den Fall angedroht hatte, dass die Party nicht in Schwung kommen würde - er tanzte. Seine Partnerinnen pickte er sich aus einer Schar Lernschwestern, die alle denselben Kurs besuchten und alle miteinander befreundet waren. Sie sahen auch alle gleich aus: Samt und sonders trugen sie ihr blond gesträhntes Haar zu dem Ballerinaknoten geschlungen, der bei hübschen Teenagern groß in Mode war. Ich war der Meinung gewesen, dass wir niemanden unter einundzwanzig einladen sollten, weil es Bier und Wein geben würde, doch Leo hatte sich durchgesetzt. Nun ließen sie sich abwechselnd von Leo durch die Gegend wirbeln, und ihre hochgestreckten Arme legten übereinstimmend einen nackten Bauch und einen gepiercten Nabel frei.
    »Wie wär’s mit einem Tänzchen, Doc?«, fragte Ray.
    Ich schüttelte energisch den Kopf.
    »Und wenn’s ein langsamer Tanz wäre? Sie haben doch bestimmt ein paar Tanzschritte für die Tanztees an dieser noblen Uni gelernt.«
    Ich konnte mich zwar nicht erinnern, ihm von meiner Uni erzählt zu haben, aber wahrscheinlich hatte ich sie bei unserem Abendessen erwähnt. »Also gut, ein langsamer Tanz.«
    »Ich rede mit dem DJ«, sagte Ray und wandte sich an seinen Cousin. »Georgie - leg was auf, zu dem unsere Frau Doktor tanzen kann.«
    »Kommt sofort.«
    Selbst das bisschen menschliche Wärme, das von einer glatt rasierten Backe ausgeht, kann einiges bewirken. Vielleicht hatte ich meine Fähigkeiten auf der Tanzfläche ja unterschätzt. Jeder körperlich halbwegs intakte Mensch kann schließlich der Führung eines anderen folgen, wenn die dazu erforderlichen technischen Fertigkeiten über ein An-Ort-und-Stelle-Schunkeln nicht

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