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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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ihr.«
    »Möglich ist alles. Ein gesunder weißer Säugling? Lass sie verhandeln.«
    Eine unangebrachte Hypothese ging mir durch den Sinn. Würde eine ledige Meredith ihr uneheliches Kind einem unfruchtbaren Ehepaar überlassen? Um diesen ketzerischen Gedanken zu verbannen, übte ich mich in pränatalem Überschwang. »Du wirst ein wunderbarer Vater sein. Jemand, der diese schuppigen, schrumpeligen Frühchen ins Herz schließen kann, wird ganz bestimmt ein fantastischer Papa.«
    »Sollte man meinen«, murmelte Leo.
    »Willst du damit sagen, dass du kein fantastischer Papa sein wirst?«
    »Was ich sagen will, ist … ich wäre einfach gern vorher gefragt worden.«
    Mir war klar, dass dies ein Augenblick der Solidarität und Verschwisterung war, den die Dr. Stephanie Crawfords dieser Welt nie und nimmer als solchen begreifen würden. »Ist das logisch?«, fragte ich Leo. »Wie fragt man jemand vor einem Unfall?«
    Leo schraubte den Sauger von einer winzigen Flasche, auf der Tylers Name stand, und ging zur Mikrowelle. »Ich möchte dich nicht mit technischen Details der Empfängnisverhütung in Verlegenheit bringen. Sagen wir einfach, sie war eine treue Verfechterin einer Methode, die als ebenso wirksam wie Medikamente angepriesen wird.«
    »Nämlich?«
    »Erspar’s mir, es auszusprechen. Sagen wir einfach, dass die Beschaffenheit der Vaginalsekrete der entscheidende Faktor ist.«
    »Doch nicht diese Schleimbeobachtung?«
    »Volltreffer«, sagte Leo. »Und kannst du dir vorstellen, dass ich mich von diesem Erdmutter-Schmarren habe einlullen lassen?«
    Ich fragte, ob jemals eine Studie zu dem Thema durchgeführt worden sei.
    »Aber klar doch. So eine Studie, wo keiner weiß, ob sie ihren Schleim untersucht oder sich ein Pessar reinsteckt.«
    Leo neigte nicht zu Sarkasmus. Ich sagte: »Tut mir Leid. Mir war nicht klar, dass das so eine blöde Frage war.«
    »War nicht so gemeint«, antwortete er. Und dann: »Ich hab deine Nachricht bekommen. Was ist los?«
    »Ich weiß nicht genau.«
    Er fragte, wann ich freihabe.
    »Sonntag, Dienstag oder Donnerstagabend. Nach sieben.«
    »Sagen wir Sonntag. Bei dir? Weil bei mir gibt’s ein Problem mit dem Mitbewohneraufkommen.«
    11G, Nordturm, sagte ich. Direkt durch den Tunnel. Wenn er sich freimachen konnte.
    »Sonntag um halb acht. Soll ich vorher was essen?«
    Nein, sagte ich. Wir würden zusammen essen. Ich besäße zwar noch keinen Tisch, aber wir könnten ja improvisieren.
    »Gehen wir doch essen«, schlug Leo vor. »Warst du schon mal im Pho Saigon?«
    Ich sagte, nein, würde es aber gern mal probieren.
    »Gut. Wenn du nichts von mir hörst, hole ich dich um halb acht ab.«
    Ein Baby maunzte beinahe lautlos und ein anderes fiel ein. Ein Alarm piepste. Leo ging nachschauen. Er versicherte mir, dass das der ganz normale Nachtbetrieb sei - die Kleinen vergäßen manchmal zu atmen, aber dann müsse man sie nur kräftig anstupsen.

20
    SAMSTAGNACHT
    Ich hatte keine Pläne. Ray hatte mir eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, dass er zu einer Totenwache musste. Ganz plötzlich. Lange Geschichte. Würde sich wieder melden.
    So war ich also um halb neun allein und delektierte mich an den neu entdeckten Genüssen vom Restaurant-Heimservice jenseits des Pizza-Genres (Griechischer Salat und Moussaka), als ich Schreie auf dem Flur hörte - das Ächzen eines Mannes, vermischt mit Kraftausdrücken, gefolgt von Geräuschdämmungsversuchen, anscheinend aus dem Mund einer Frau.
    Ich drehte mein Radio ab. Was gesagt wurde, konnte ich nicht verstehen, aber der Mann schien zu toben. Die Frau redete auf ihn ein. Oder weinte sie? War es Sylvie?
    Ich ging hinaus und klopfte an ihre Tür. Als niemand antwortete, fragte ich: »Sylvie? Alles O. K. bei dir?«
    »Verschwinden Sie«, antwortete die männliche Stimme. »Ihr geht’s gut. Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram.«
    Jeder, der sich mit Notrufen auskennt, weiß, dass man nicht auf die Stimme des Mannes hören soll, der behauptet, dass es seinem Opfer gut gehe.
    Sollte ich den Wachdienst rufen? Anthony, den Pathologen auf 11F zu Hilfe holen? Adrenalin und Angst und vielleicht zu viele Zeitungsartikel über im Stich gelassene Opfer von Messerattacken und Überfällen trieben mich dazu, den Türknopf von 11H zu drehen. Und obgleich eine Kette mein Eindringen verhinderte, bot sich mir doch ein - wenn auch sehr eingeschränkter - Ausblick auf Dr. Charles Hastings, der sich nackt und offensichtlich schmerzgekrümmt auf Sylvies

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