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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elinor Lipman
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ein.«
    »Weswegen?«
    »Wegen unterlassener Hilfeleistung.«
    »Ich bin auch nicht von gestern. Es gibt nichts, worüber man sich beschweren könnte, wenn es jemandem unangenehm ist, seinen Vorgesetzten anzuziehen.«
    »Unangenehm? Wieso? Ein Männerkörper? Dass ich nicht lache!«
    »Ich meinte nicht unangenehm in diesem Sinne. Ich meinte, Sie brüllen mich schon an, wenn es Ihnen gut geht. Da wäre ich schön blöd, mich Ihnen zu nähern, wenn Sie einen verlagerten Nucleus pulposus haben.«
    Wild grimassierend und stöhnend reckte er die Arme in die Höhe und scheuerte sich das Unterhemd über das Gesicht bis hinunter zum Hals.
    »Bitte«, wimmerte er.
    Nur für den Fall, dass er Recht hatte, dass es da wirklich eine Fußnote zum Hippokratischen Eid gab, nahm ich ihm die Unterhose von der Brust und ging ans Fußende des Bettes.
    Es war unmöglich, ihm zu willfahren, ohne die Decke wegzuziehen, also zog ich sie weg - an Dr. Hastings stolzem Gemächt vorbei, die Oberschenkel entlang, die knochigen Knie, die behaarten Unterschenkel, bis hinunter zu seinen grässlichen Füßen.
    »Vorsicht! Vorsicht! Vorsicht«, meckerte er, als ich ihn in die Shorts hineinbugsierte. Die letzte Strecke des Weges über seine Hüftregion sah ich nicht mehr hin. Als es vorbei war, sah ich ihm wieder ins Gesicht und bemühte mich, sein Wutgeschrei zu überhören. Vielleicht konnte ich ja zusammenkratzen, was ich über das Verhältnis zwischen Arzt und Patient gelesen hatte. Er ist verletzt und hat Schmerzen, möglicherweise Angst. Vielleicht fiel mir die eine oder andere Floskel ein, mit der man Mitgefühl und Anteilnahme zum Ausdruck brachte. Vielleicht würde er ja, wenn er wieder arbeitsfähig war, meine Menschlichkeit Dr. Kennick gegenüber erwähnen.
    Ausgerechnet da, genau in dem Augenblick, als ich womöglich den therapeutischen Satz hätte formulieren können, der der Absurdität der Situation und seiner misslichen Lage jenseits der Krankenhausflure Rechnung getragen hätte, umklammerten seine Finger mein Handgelenk. »Jetzt weiß ich wieder! Die verpfuschte Gallenblase. Glauben Sie bloß nicht, dass Sie aus dem hier Kapital schlagen können. Wenn Sie nämlich auch nur ein Sterbenswörtchen verlauten lassen, reiß ich Ihnen den Arsch auf, Fräulein. Diese Nacht hat es nie gegeben, verstanden?«
    »Lassen Sie mich los«, sagte ich.
    »Außerdem gefällt es mir nicht, dass Sie mit Sally befreundet sind, und ich habe keine Hemmungen, ihr das unmissverständlich klar zu machen.«
    Ich antwortete energisch und wortgewaltig. Leider fand diese Belehrung lediglich in meinem Kopf statt. Ihnen ist schon klar, dass Sie nicht einmal andeutungsweise in der Lage sind, irgendjemandem den Arsch aufzureißen? Ihnen ist schon klar, dass Sie sich einen Bandscheibenvorfall eingehandelt haben, während Sie intim waren mit einer Frau, die halb so alt ist wie Sie, und dass Sie damit sowohl gegen Ihr Ehegelübde als auch gegen die Bestimmungen der Klinik in Bezug auf sexuelle Belästigung verstoßen haben? Geht das in Ihr arrogantes Gehirn eigentlich rein, dass Sylvie - so heißt sie nämlich, Sylvie! - Ihnen ins Gesicht lachen würde, wenn sie wüsste, was Sie über Ihre Missbilligung unserer Freundschaft gesagt haben? Sagen Sie mir, dass Ihnen klar ist, dass Sie von unserer Gnade abhängig sind. Dass alle, die Sie mit Ihrer Stimme auf den Plan rufen könnten - falls Sie daran gedacht haben sollten, um Hilfe zu schreien -, Ärzte dieser Klinik sind und Zeugen Ihrer Fehltritte. Chuck.
    »Holen Sie mir mein Handy«, befahl er mir.
    Ich zeigte auf sein Sakko. »Da?«
    »Schauen Sie in die Taschen, um Himmels willen. Ist das so schwierig?«
    Sein Kamelhaar-Sakko hing über der Rückenlehne eines Küchenstuhls. Die erste Ausbuchtung, die ich entdeckte, entpuppte sich als seine Brieftasche.
    »Was machen Sie damit? «, rief er mir zu.
    Ich näherte mich ihm ein paar Schritte, die Brieftasche weit geöffnet. »Ist das Ihre Frau?«
    »Geben Sie das her!«
    »Wie heißt sie denn?«
    Er tippte sich oberhalb des rechten Ohrs auf den Schädel. »Ich mache mir Notizen. Hier oben. Jedes unverschämte Wort, das aus Ihrem Mund gekommen ist, seit Sie hier hereingeplatzt sind.«
    Ich drehte die Brieftasche so, dass das Foto der Frau zu sehen war. »Bilde ich mir das nur ein, oder schaut sie wirklich ein bisschen traurig drein?«
    »Halten Sie’s Maul! Entweder machen Sie sich nützlich oder Sie halten Ihr dreckiges Maul. Und wo, zum Teufel, bleibt Ihre Freundin? Ich

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