Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
Achtundvierzigjähriger Mann mit Herzstillstand wird mit Krankenwagen eingeliefert. Asystolie. Große Hektik um mich herum. Nach fünf Minuten bittet mich ein Assistenzarzt die Herzmassage zu übernehmen. Ich übernehme und mache fünf Minuten weiter. Dann bedeutet er mir, er könne wieder weitermachen. Wir wechseln uns fast dreißig Minuten lang ab, während andere es mit Medikamenten, Defibrillator und allem versuchen, was wir sonst noch haben. Trotz heroischen Einsatzes können wir den Mann nicht zurückholen. Ich empfinde echte Trauer - dieser noch junge Mann, seine Frau und seine Kinder, denen man es sagen musste -, doch vor allem habe ich das Gefühl, Teil eines Teams zu sein, das medizinisch sein Bestes gegeben hat, ohne Unterbrechung, obgleich dieses Leben nicht gerettet werden konnte. Und ich bin stolz, dass ich keine Kompression verpasst und mich nicht verzählt habe.
Damit will ich nicht sagen, dass ich einen Nobelpreis in Medizin verdiene, für Handgriffe, die im Wesentlichen erste Hilfe waren. Ganz und gar nicht. Ich würde sie nicht einmal als Beweis für meine Fortschritte zitieren. Ich sage nur, dass im Lauf von fünf Tagen bei meinem Anblick niemand einen Anfall bekam. Niemand sah von einer Schusswunde oder einer Kopfverletzung durch einen stumpfen Gegenstand oder einem Unfallopfer mit Krampfanfall hoch und bellte: »Nicht Thrift. Sie nicht. Holt mir jemand anderen.«
Meine sechzehnjährige Erstgebärende, Amber Quinlan, belegte das hintere Bett in einem Doppelzimmer. Sie teilte es mit einer Frau, deren Seite des Zimmers einem Blumenhändler zu großem Reichtum verholfen haben musste. Ich fragte das junge Mädchen, ob sie sich aus der Notaufnahme an mich erinnere.
»Es war ein Mädchen«, sagte sie.
»Ich weiß. Ich hab dein Krankenblatt gelesen, bevor ich reinkam. Herzlichen Glückwunsch.«
»Schon gut. Das hat mir grad noch gefehlt.«
Ich fragte sie, wie sie sich fühle.
Sie fragte, ob ich Ärztin sei, ihre Miene erhellte sich, als ich bejahte, und sie fragte mich, ob ich ihr ein Rezept für OxyContin ausstellen könne.
Meine in der Notaufnahme sensibilisierten Fühler vibrierten: Eine Patientin bat um ein verschreibungspflichtiges Medikament, von dem ich erst kürzlich gelesen hatte, dass es als neue Modedroge galt. »Wozu brauchst du OxyContin?«, fragte ich sie.
»Gegen die Schmerzen. Die sind fürchterlich.«
Ich ging zurück zur Schwesternstation, sah in Ambers Karte nach und sah, dass sie bereits Tylenol mit Kodein bekommen hatte. Ich kehrte zu ihrem Bett zurück und sagte: »Erinnerst du dich, dass du vor einer Viertelstunde eine Tablette bekommen hast?«
»Nein.«
Ich erklärte ihr, dass es ihr bald besser gehen würde, und wünschte ihr Gute Nacht. Als ich mich umwandte, riss mich Ambers Hand zurück, die sich am Saum meiner weißen Jacke festgekrallt hatte. »Mein Baby?«, fragte sie. »Geht es ihr gut? Sie haben gesagt, dass sie auf diese spezielle Station muss.«
»Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Wegen deines Alters und weil du keine Vorsorgeuntersuchungen hattest.«
»Ich hab Vitamine genommen. So viel wusste ich zumindest. Und Schokomilch getrunken, literweise.«
Ich lieh mir einen Stuhl von der Zimmergenossin und zog den Vorhang um Ambers Bett zu. »Was ist mit deinen Eltern?«
»Was soll mit denen sein?«
»Hat die jemand verständigt?«
»Jemand musste meine Mutter anrufen wegen der Versicherung, und weil ich noch nicht achtzehn bin. Sie hat ihre Arbeit stehen lassen und ist hergekommen.«
»Wie war das?«
»Sie ist ausgeflippt. Richtig hysterisch ist sie geworden. Hat Sachen gesagt. ›Wie konntest du mir das antun?‹ Und: ›Ich zieh kein Baby nicht auf, also bild dir bloß nicht ein, dass du sie heimbringen kannst.‹«
»Hattest du das vor? Das Baby heimzubringen?«
»Nie im Leben.«
»Dann hast du also beschlossen, sie zur Adoption freizugeben?«
»Ich habe gehört, dass man Geld dafür kriegen kann.«
Da müsse sie mit jemandem vom Sozialamt reden, meinte ich, ich bezweifelte aber sehr, dass das stimme.
»Ich kenne da ein Mädchen, und die Familie, die ihr Baby kriegen sollte, schickte ihr per Post riesige Steaks, damit sie ordentlich isst. Und als die Adoption legal war, da hat sie ein Auto gekriegt.«
»Versprich mir, dass du hier nicht weggehst, bevor du mit einer Sozialarbeiterin gesprochen hast.«
Amber nahm einen Schluck aus der Coladose auf ihrem Nachttisch. »Wird sie mir sagen, dass ich es behalten soll?«
Ein Kopf erschien zwischen
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