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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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sich selbst grün im Gesicht fühlte, vor allem, nachdem sie gesehen hatte, wie der Junge dort drüben sich übergeben hatte, hielt sich einen Moment am Stuhl des Priesters fest, bevor sie die Theke ansteuerte. Schluss jetzt, dachte sie, kein Alkohol mehr, nicht für mich. Sie taumelte in das heiße, verräucherte Pub und stellte sich in die Schlange, um ihre Bestellung aufzugeben. Als sie mit ihren Pints zurückkam – war der Tisch leer.
    Sie waren fort und hatten ihr ein Schnippchen geschlagen. »Hallo, du da!« rief eine weibliche Stimme.
    Lucy blickte sich um und entdeckte die hochgewachsene Studentin, die sie am Morgen mit Baskenmütze und roten Strümpfen gesehen hatte. Sie saß an einem Tisch neben einem prasselnden Feuer, umringt von vier jungen Männern, von denen drei eben zu einer »Saufparty« aufbrechen wollten. Das Mädchen winkte Lucy heran, und Lucy warf einen genaueren Blick auf den hübschen jungen Mann mit den klaren Gesichtszügen und dichten schwarzen Locken, die ihm in die Augen hingen. »Willst du diese Pints haben?« fragte Lucy automatisch. Sie stellte die Gläser ab und trat an den Tisch.
    »Ich bin Ursula Crewes«, sagte das hochgewachsene Mädchen. Ihren vor sich hinbrütenden Begleiter stellte sie nicht vor. »Du bist Julians amerikanische Freundin, nicht wahr?«
    Lucy antwortete nicht gleich, so daß Ursula einfach weiter auf sie einredete: »Du musst einfach zu Tessas Party kommen – es wird jede Menge zu trinken geben, ich schwör’s. So, jetzt hab’ ich’s getan. Jeder denkt, ich sei ein total selbstsüchtiges Miststück, aber ich habe gerade bewiesen, daß ich das nicht bin. Du musst einfach kommen.«
    »Ah, ich …«
    »Oh, und außerdem wird es Alex einen Mordsschrecken einjagen, wenn er nach der Semesterpause aus London zurückkommt! Wenn er hört, daß wir uns angefreundet, Erfahrungen ausgetauscht und ekelhafte Sachen über ihn gesagt haben – das müssen wir übrigens tun. Ich fange an. Er ist ein lausiger Liebhaber, wirklich. Zu betrunken oder zu schnell, obwohl du vielleicht die goldene Mitte bei ihm gefunden hast, die mir entgangen ist …«
    Lucy hätte das Missverständnis , sie hätten gemeinsame Freunde, berichtigen sollen, aber Ursula war zu begeistert von dem, was sie sagte. »Nein, viel war nicht zwischen uns; ich habe mich einfach total zum Narren gemacht, hab’ mich ihm auf dem St. John’s Ball an den Hals geworfen. Ich war eine vollendete Schlampe, das gebe ich zu! Oh, er hat es dir sicher erzählt; ich kann mir nicht vorstellen, daß er so gentle-manlike ist, nicht über mich zu tratschen.«
    »Äh, eigentlich …«
    »Du kannst auch später dazukommen«, sprach Ursula weiter, »die Party ist nämlich auf unserem Stockwerk, so daß du sowieso wach gehalten wirst.«
    »Ihr könnt in Braithwaite die ganze Nacht lang Parties feiern?«
    »Himmel, nein, aber heute Abend ist Jim der diensthabende Pförtner, der ist immer stockbesoffen und merkt nie was. Drei Höfe weiter. Also, wir gehen!« Ursula stand zusammen mit ihrem Verehrer auf und wiederholte freundlich ihre Einladung, bevor sie ihren Freund in Richtung der St. Bridget’s Passage zog.
    Lucy blieb allein mit einem Pint. »Willst du’s immer noch hergeben, Süße?«
    Lucy drehte den Kopf und sah am Nachbartisch einen jungen Mann mit dunkelblondem, kurzgeschnittenem Haar, in dunkler Lederjacke und einem T-Shirt, auf dem eine Karikatur Margaret Thatchers prangte, darunter irgendetwas wie Fuck the poll tax. »Klar«, sagte sie. Der junge Mann stand von seinem Tisch auf und setzte sich zu ihr. »Amerikanerin?«
    »Ja. Aus Chicago. Ich heiße Lucy.«
    Er war Duncan aus North Shields, oben im Nor-den, wohin nie ein Tourist kam, deshalb erwartete er nicht, daß sie die Gegend kannte. Lucy war begeistert von dem Singsang, in dem er sprach, auf und ab, als ende jeder Satz in einer Frage. Ob sie von Newcastle gehört habe? Ganz in der Nähe liege North Shields.
    Nein, Lucy hatte noch nie davon gehört. »Woher kennst du Ursula?« fragte Duncan weiter. »Ich kenne sie überhaupt nicht. Sie meint wohl, daß sie mich von irgendwoher kennt. Ich wohne in einem Gästezimmer in Braithwaite, und ihr Zimmer ist auf demselben Stockwerk.«
    »Dieses Haus ist das verfluchte Ende der Zivilisation.« Duncan hatte das Bier in wenigen Zügen geleert. »In welchem College wohnst du?«
    »Braithwaite, ich weiß also, wovon ich rede.« Duncan patschte Lucy plötzlich aufs Knie. »Was is’, Schätzchen? Wie wär’s mit ’nem

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