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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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ruhig, aber nachdrücklich. »Jesus ist ganz sicher gekreuzigt worden und später in den Himmel aufgefahren.«
    »Viele frühe Christen haben das nicht geglaubt, Pater«, widersprach Dr. O’Hanrahan. »Die gnostischen Sekten der Basilianer und Karpokratianer.«
    »Das war auch eine Häresie der Korinther, etwas in dieser Richtung«, meinte die Schwester unsicher, gewann dann aber mehr Selbstvertrauen. »Nicht wahr?«
    »Richtig«, stimmte Pater Beaufoix zu, stets bereit zu einem Wortwechsel mit dem orthodoxen Besserwisser. »Ihr orthodoxer Gelehrter Photius ist noch im
    8. Jahrhundert auf Texte gestoßen, die einigen der Aposteln zugeschrieben wurden und berichten, daß Christus sich nicht hat kreuzigen lassen, sondern eher … ausgeliefert wurde. Für eine ketzerische Idee war sie auf jeden Fall ganz schön langlebig.«
    »Wozu ist man überhaupt noch Christ«, fragte der anglikanische Vikar voller Abscheu, »wenn man das Kreuzopfer nicht anerkennt?« Dr. Abdullah war hartnäckig: »Sie glauben, Christus sei nur von Bedeutung, wenn es ein Kreuz gibt und Gottes Prophet hingerichtet wird? Sehen Sie sich doch das Schlachthaus an, zu dem der Katholizismus – Verzeihung, Schwester und Pater – geworden ist: nichts als Tränen und Wunden, blutende Herzen Jesu und blutüberströmte Heiligenfiguren. Was hat das damit zu tun, wie man leben, Gott lieben und seinem Nächsten helfen soll, hm?« Dr. Abdullah verschränkte die Arme und beugte sich vor, während alle ihn aufmerksam anblickten. »Nein, der Islam hat keinen Anteil am Kreuz, so wenig wie die frühe christliche Kirche. Moses, David, Elias, Elisha, Mohammed – Gott lässt nicht zu, daß seine Auserwählten von seinen Feinden vernichtet werden! Ich versichere Ihnen, Vikar, etwa 800 Millionen Muslime weltweit lassen sich von Jesu Lehre erbauen, aber nicht von der häretischen Hinzufügung des Kreuzes, die irgendwann im 2. Jahrhundert erfolgte, wie wir glauben. Dasselbe gilt für dieses Tut dies zu meinem Gedächtnis. Die Häresie mit dem Kreuz hat Mohammed so erbost, lesen wir bei al-Waaqidi, daß er alles zerstörte, was dieses Symbol des Irrglaubens trug.«
    Lucy fühlte sich mutig genug, um zu fragen: »Entschuldigen Sie, Dr. Abdullah, aber ich dachte, es gebe eine Kreuzigung in der muslimischen Lehre.«
    »Oh, es hat eine Kreuzigung gegeben, aber nicht Jesus wurde gekreuzigt. Simon von Kyrene oder vielleicht auch Judas, sagen manche Traditionen. Sure 4,155. Uff … das ist schwierig auf Englisch … doch ermordeten sie ihn nicht und kreuzigten ihn nicht, sondern einen ihm ähnlichen – und so weiter und so fort. Sie wissen nichts von ihm, sondern folgen nur Meinungen; und nicht töteten sie ihn in Wirklichkeit, sondern es erhöhte ihn Allah zu sich. Die Überlieferung meint, daß statt dessen ein Spion, der ausgesandt worden war, um Jesus in die Falle zu locken, gekreuzigt wurde. Aber sicher ist kein Guter an seiner Stelle gekreuzigt worden.«
    »Hoffentlich nicht«, sagte Dr. Whitestone und schlug leicht mit dem Hammer auf den Tisch, um die Diskussion zu beenden, »das würde uns den Nachtisch verderben.«
    Alle standen vergnügt auf und schlenderten in den angrenzenden Gemeinschaftsraum, wo das Dessert serviert werden sollte, zusammen mit neu gefüllten Karaffen voll Portwein, Sherry, Madeira oder gekühltem Sauternes und mit Schokolade, Gebäck, Kognak und Zigarren. »Ich dachte, wir hatten den Nachtisch bereits«, sagte Lucy Dr. O’Hanrahan, als sie ins Nebenzimmer gingen.
    »Das war Pudding, jetzt kommt das Dessert. Sehen Sie im Lexikon nach!«
    »Ja, schon gut.«
    Der Rabbi zog den Professor beiseite. »Paddy«, fragte er, »warum machen wir nicht eine kleine Pause und reden mit Keegan über unsere Strategie, hm? Deine Mata Hari lassen wir derweil zurück.« Pater Keegan, der verärgert aussah, tauchte neben Dr. O’Hanrahan und dem Rabbi auf.
    »Kann man Ihnen nicht noch etwas aus der Küche kommen lassen, Pater?«
    »Natürlich nicht, nicht hier in England. Die Küche ist zu, und Vorschrift ist Vorschrift.«
    »Ich glaube, die übrigen Akoluthen werden es uns erlauben, daß wir uns in ein Pub fortstehlen, damit der arme Mann etwas zu essen bekommt, was meinst du, Patrick?« schlug der Rabbi vor.
    »Aber sicher doch«, erwiderte der Professor im selben spitzbübischen Ton. Er geruhte Notiz von Lucy zu nehmen. »Also, meine liebe Lucy, wir sehen, daß wir für Pater Keegan etwas zu essen und für uns ein Pint mit etwas Flüssigem

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