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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Kebab?« Lucy hatte Probleme, den Newcastler Geordie-Akzent zu enträtseln. Er will einen Bob, das bedeutet ein Pfund, überlegte sie. Widerwillig griff sie in die Jackentasche und holte eine Pfundmünze heraus. »Alles klar, gehen wir.«
    Lucy folgte dem Jungen an der Wirtschaft vorbei, die enge Gasse hoch und auf den Radcliffe Square, der bisher ihr wichtigster Orientierungspunkt gewesen war. Es dauerte einen Augenblick, bis sie die Szenerie in sich aufnahm – sie hatte wirklich einen sitzen. Die Kuppel der Radcliffe Camera und die Türme von All Souls’ lagen unwirklich in bläuliches Mondlicht getaucht; Millionen von Sternen leuchteten am Himmel. Sie sollte schleunigst zurück ins Gästezimmer gehen, fünf Gläser Wasser trinken, Aspirin nehmen – und ab ins Bett.
    »Ich glaube, du bist die erste Amerikanerin, mit der ich je geredet habe. Ich mag dein verfluchtes Land nicht einmal. Keine einzige gescheite Band mehr.«
    »Welche magst du denn?« fragte Lucy, der es einen Stich gab, als ihr Land beleidigt wurde.
    Duncan nannte ein halbes Dutzend Ein-Hit-Indie-Gruppen, die von keiner Plattenfirma abhängig waren, und Lucy erwiderte lahm, sie habe von ein paar der Bands gehört, kenne sie aber nicht gut. Die letzte englische Kassette, die sie gekauft hatte, stammte von Phil Collins. »Den kannst du behalten!«
    Lucy taxierte Duncan aus den Augenwinkeln. Glaubst du, dieser Typ mag dich? Sie dachte darüber nach. Ein bisschen klein für sie, ein wenig ruppig aussehend. Aber plötzlich hatte der Gedanke, einen rauhbeinigen Freund aus den ärmlichen Straßen des Nordens zu haben, einen gewissen Reiz; die sozialkritischen Schwarzweiß-Spätfilme aus dem England der fünfziger Jahre mit Laurence Harvey als Darsteller spulten sich in ihrem Kopf ab. Aber sie hatte ihn gerade erst kennengelernt! Gut, sie würde nein sagen müssen, drolliger Akzent hin oder her. Obwohl, wenn sie recht überlegte, wieso würde sie eigentlich nein sagen müssen?
    »Ich hab’ gesehen, wie du mit diesen Idioten geredet hast«, sagte er und meinte Ursula und ihre Freunde. »Himmel, ich verabscheue Braithwaite. Besoffener Snob-Haufen von lauter Public-School-Gören …« Lucy fragte, warum er in Oxford sei, wenn er den Ort so verabscheue. »Mathe. Und ich kriege Geld, um hierherzukommen, also konnte ich nicht nein sagen. Verflucht langweiliges Fach. Kann auch nichts dagegen machen, daß ich gut darin bin, oder? Ich sollte besser leiser reden«, setzte er hinzu, als ein paar junge Rowdies auf der anderen Straßenseite vorbeikamen, »wenn ich nicht will, daß man mir die Rübe einschlägt.« Während sie weitergingen, versuchte Lucy, seine Worte zu enträtseln. »Es gibt Studenten hier, die dich zusammenschlagen würden, bloß wegen deiner Art zu reden?«
    »Nein, die Eingeborenen. Die nehmen jeden Kerl auseinander, der nicht von hier ist. Schlagen die Studenten zusammen. Das kann ich ihnen nicht mal krummnehmen. Kann ihnen überhaupt nichts krummnehmen. Selber schuld, wenn wir jetzt draußen rumlaufen; England hat heute gegen Schweden gespielt.«
    »Fußball?« riet Lucy.
    »Klar, Fußball.« Duncan spähte durch die Straßen, die jetzt nach elf, nach der Polizeistunde, wie ausgestorben waren. »Ach, keine Sorge. Nix los in diesem Oxford, still wie ein bescheuertes Grab.« Suchend sah er die High Street hinunter. »So was, normal steht der Karren hier!« Sie beschlossen, es in der St. Aldate’s Street vor dem Christ Church College zu versuchen, das furchteinflößend wie ein Gefängnis im Licht der Strahler aufragte.
    »Aber hauptsächlich«, schwadronierte Duncan weiter, »ist Oxford einfach verflucht langweilig. Wenn man wie Ursula in der Clique von dieser blöden Kuh Tessa und genauso saublöd ist, dann ist es okay, aber sonst kannst du diese Stadt vergessen.«
    Jetzt entdeckten sie den Imbißwagen: Ahmed’s Döner Kebab. Lucy ging auf den einfachen Verkaufskar ren zu. Drei Männer warteten vor ihnen – ein Skinhead, ein furchtbar aussehender, traurig schniefender Mann in fleckigem Smoking und ein rosiger, stämmiger Typ in einem Sweatshirt mit dem Guinness-Logo. Alle drei betrunken! Welch seltsame Auswahl der Spezies Mensch man hier in Oxford sieht, dachte Lucy. Duncan half ihr bei der Bestellung ihres Kebab. Ahmed, ein freundlicher Pakistani mit schlechter Haut, schnitt ein Pittabrot auf und füllte es mit Salat, Tomaten, Zwiebeln, scharfer Sauce, zerstoßenem Schafskäse und einigen Scheibchen von dem riesigen Lammfleischzylinder. Lucy

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