Der dreizehnte Apostel
ohne diesen unterstützenden Theater Effekt trefflich einzureden gewusst . Aber dieser Theater Effekt erwartet dich in Elephantine, wenn Benjamin bei deiner Ankunft da unten noch lebt.«
37.
Elephantine! Aberhunderte von Meilen nilaufwärts fahren bis an die Grenze des barbarischen Nubien, einer solchen absurden Fabel wegen! Ich sagte zu ihm: »Du hältst mich noch immer für den Narren, der ich einst war. Du glaubst, daß mir mein Bruder Geld zur Finanzierung dieser Expedition geben wird und daß ich lüge, wenn ich behaupte, daß ich mittellos bin.«
Er wurde nicht zornig, sondern sagte zu mir: »Nein, ich erwarte kein Geld von dir. Ich erzähle dir das, damit du endlich zur Ruhe kommst. Ach, ihr Gottgläubigen könnt einem leidtun . Zu entscheiden, welchen Gott es geben mag oder nicht, überlasse ich anderen, verstehst du?« Er hob seine Geldbörse in die Höhe und ließ die Münzen darin klirren. »Das ist mein Gott, und daß er existiert, weiß ich. Er ist allmächtig und gut zu denen, die ihn anbeten, verstehst du? Geh, geh, bau dir ein Haus, gründe eine Fami lie, schlafe und vergiss , und dann erwache und verbringe den Rest deiner Tage im Dienste der Erziehung – ach, und kaufe dir einen schönen Knaben wie meinen Kamaar da!«
Waswasahs elender kleiner Mundschenk, offensichtlich des Wohlgefallens seines Herrn und Meisters gewiss , warf mir unter schweren Lidern einen schmachtenden Blick zu (die Laster der Söhne Ismaels sind unergründlich).
38.
Nach einer Pause sagte dann aber Waswasah zu mir: »Wenn du allerdings unbedingt mit eigenen Augen sehen willst, was sie in Elephantine zu bieten haben, kann ich dir vielleicht behilflich sein. Weißt du, die Reise lohnt auch unter rein touristischen Gesichtspunkten. Die landschaftliche Schönheit dieser Gegenden am oberen Nil ist beachtlich! Ein poetisches Gemüt wie das deine wird gewiss – denn eben fällt mir ein, daß du ja, von deinen übrigen zahlreichen Fähigkeiten und Verdiensten ganz abgesehen, auch ein erstklassiger Dichter bist – von den dortigen Naturschauspielen zu profitieren wissen!«
Misstrauisch erkundigte ich mich nach den Bedingungen dieser Reise. Er sagte zu mir: »Ich bin, wie du weißt, ein ehrlicher Kaufmann. Elephantine ist der erste größere Markt für Sachen aus Nubien und aus den Ländern jenseits von Nubien – für Weihrauch, Elfenbein, Straußenfedern, Goldstaub und dergleichen, jedes Jahr, wenn die Karawanen in Elephantine ankommen, kaufe ich gleich dort ein. Diesmal kann ich selbst nicht hin und muss meinem dortigen Agenten also schriftliche Anweisungen geben. Nun ist aber die Post schon seit einiger Zeit geradezu beängstigend unzuverlässig in Ägypten. Wenn du deiner Nachforschungen wegen nach Elephantine wolltest, könntest du bei der Gelegenheit den Brief an meinen Agenten bestellen.«
39.
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen: Seine ganze Erzählung von diesem Benjamin und dem Geheimnis, das er angeblich hütet, hatte der Kerl einzig zu dem Zweck erfunden, mich als Laufburschen gebrauchen zu können!
Doch als ich das äußerte, seufzte er und spielte abermals die beleidigte Leberwurst, ohne sich anheischig zu machen, mir Beweise für seine Glaubwürdigkeit zu liefern.
Statt dessen sagte er schließlich: »In vier Tagen geht eine Karawane nach Süden ab. Ich zahle dir die Reisekosten und noch mal das Doppelte für deine Mühe, sagen wir zwei Manehs, zwölftausend Schekel. Wenn das kein faires Angebot ist, möchte ich wissen, was fair sein soll. Und du kannst dich darauf verlassen, daß ich nicht so blöde wäre, dir zusätzlich einen Bären aufzubinden, denn könnte ich mich auf dich noch verlassen, wenn du am Ziel merktest, daß ich dich getäuscht hätte? Deine Enttäuschung wäre doch wohl kaum in meinem Interesse. Also komm, sei nicht blöd!«
40.
Vielleicht wirst du nun in schadenfrohes Gelächter ausbrechen, aber ich will dir nicht verhehlen, daß ich einwilligte, Waswasahs Briefe zu bestellen, und kühn Vorbereitungen für die Reise nilaufwärts traf. Denn ich wollte es wissen! Natürlich fühlte ich mich den Generationen von Historikern verpflichtet, die in der Zukunft meines klärenden Wortes harren, der Auskunft, die allein Licht in die Dunkelheit ihrer nachgeborenen Unwissenheit zu bringen verspricht. Aber es war nicht nur das Bewusstsein meiner Gelehrtenpflicht, das mich trieb, sondern auch ganz persönliches und privates Verlangen nach Vergewisserung.
Hatte ich wieder einmal einen
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