Der dreizehnte Apostel
tzt die Gemara hinzu: Mit Freu den und ruhigen Herzens. Wie kann das sein?«
Der Zadig hörte, daß die Frage aus
besorgtem Herzen kam. »Du verstehst die Gemara nicht«, sagte er.
»A ber ich verstehe nicht mal die Mischna. Denn gibt es wirklich Übel auf der Welt?«
Erzählt von Rabbi JAKOB JITZHAK,
der im frühen 19. Jahrhundert den
R uhm eines Sehers von Lublin er warb
JERUSALEM
3. August 1990
Rabbi Hersch konnte es kaum glauben, als er den Anruf von O’Hanrahan erhielt, daß der Professor und Lucy am Vorabend angekommen und im König David, dem Luxushotel Jerusalems, abgestiegen seien. Wie waren sie von Haifa hergekommen? Sie hatten sich eine Limousine gemietet. Und wenn er recht verstanden hatte, war er gerade zu einem luxuriösen Frühstücksbuffet eingeladen worden. Mit Champagner. Der Rabbi ging durch die prächtige Eingangshalle mit ihren Juwelierläden und Modegeschäften. Er grüßte die Dame, die die Gäste in den großen Speisesaal geleitete. Hinter der Tür sah er Geschäftsleute und reiche Elitetouristen, die sich am Büffet bedienten: appetitlich arrangierte Berge von Früchten, Platten mit Lachs und anderem edlem Fisch, mit vielerlei Käse, Bagels, eingelegtem Gemüse und Oliven – all die üppigen Gaben eines koscheren Marktplatzes, angerichtet wie für König David selbst. »Shalom«, sagte die Frau strahlend und sah in ihre Liste. »Mordechai Hersch … Ja, Ihre Freunde erwarten Sie.«
»Hmm. Wie teuer ist das hier, meine Liebe?«
»Ihre Freunde haben schon bezahlt, gehen Sie ruhig hinein. Gutshabbes, Rabbi.«
Der Rabbi erwiderte den Sabbatgruß und trat in den hohen Raum, der ausgeschmückt war wie ein makkabäischer Thronsaal. Rasch entdeckte er Lucy und O’Hanrahan, die lachend an einem Ecktisch saßen, eine silberne Platte mit edelstem Kaviar in der Mitte. Neben dem Tisch stand ein Kübel, der den Champagner kalt hielt. Lucy mit Sonnenbrille, braungebrannt und schlanker als zuvor. O’Hanrahan war ebenfalls gebräunt und hatte sich herausgeputzt mit einem neuen blauen Sportjackett, nach israelischem Stil mit offenem Hemdkragen und einem Halstuch anstatt einer Krawatte – er sah aus wie der Kapitän einer Dampferfahrt für reiche alte Leute in Miami Beach. Er war eben dabei, sich von einem Kellner bei der Wahl einer teuren Zigarre beraten zu lassen.
»Wer ist denn gestorben und hat euch die Steinbrüche Salomos hinterlassen?« sprach der Rabbi sie an und dachte an seine hartverdienten 200 Pfund, die er in Oxford geopfert hatte.
»Morey!« rief O’Hanrahan und sprang auf. »Setz dich, setz dich. Schenk dir Champagner ein, hol dir etwas zu essen!«
»Es ist halb zwölf«, erwiderte der Rabbi. »Ich habe wie der Rest der Welt um acht Uhr gefrühstückt.«
»Na, dann hast du jetzt eben dein Mittagessen.«
Ein Kellner rückte für den Rabbi einen Stuhl zurecht. O’Hanrahan setzte sich wieder und konzentrierte sich erneut auf die Zigarrenauswahl. Der Mann in Livree empfahl die beste kubanische Davi doff , eine Dom Perignon.
»Was ist hier los, Mr. Rockefeller?« fragte Rabbi Hersch.
»Wir sind reich, das ist los. Du weißt doch noch, daß der Fachbereich mir eine Kreditkarte nach Irland geschickt hat, und Lucy hat sie mir freundlicherweise nach Italien gebracht.« Lucy, die Augen verdeckt von der Sonnenbrille, prostete dem Rabbi fröhlich zu. »Nun, und was jeder eigentlich hätte erraten müssen: Die Karte kam nicht aus Chicago, nicht von meinem früheren Fachbereich, wo man Büroklammern und Klebeband rationiert. Sie war von einem geheimnisvollen Wohltäter.« O’Hanrahan hatte der Herkunft dieser Kreditkarte mit viel List nachgespürt; er hatte sich mit einer gebührenfreien Auskunftsstelle unterhalten und so getan, als habe er seine VISA-Card verloren und dann wiedergefunden. Die Karte kam von Merriwether Industries in Detroit, Michigan. Die Nummer 312 auf dem Telegramm, an die Lucy ihre Berichte gefaxt hatte, gehörte zur Medina Corporation in Chicago, Illinois. Bei einem Abstecher in die Bibliothek der Athener Universität brachten sie heraus, daß ein Charles Merriwether Hauptgeschäftsleiter beider Unternehmen war – Öl, Schiffe, chemische Forschungslaboratorien und Waffen. O’Hanrahan machte den Versuch, einen leitenden Angestellten von Merriwether Industries zu fragen, warum man ihm die Kreditkarte ausgestellt habe; doch als lediglich eine riesige Telefonrechnung zusammengekommen war und ein paar verständnislose Angestellte ihn als Spinner behandelt
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