Der dreizehnte Apostel
wie man diesen grünblauen Kupfereffekt erzielt und Münzen auf alt trimmt.«
»Ich werde mir das merken, wenn ich das nächste mal römische Münzen fälsche.« Pünktlich um zehn Uhr vormittags verließen beide getrennt das Hotel.
YYY
Lucy verbrachte den Vormittag damit, Travellerschecks einzulösen, die O’Hanrahan mit der allmächtigen VISA-Card für sie gekauft hatte. Als nächstes ging Lucy in ein Geschäft und wurde von dem übereifrigen israelischen Händler bedrängt, ein Schachbrett zu kaufen, das sie nicht haben wollte; schließlich machte sie sich lieber aus dem Staub, als daß sie es gewagt hätte, einen Blick auf den Gegenstand zu werfen, der sie eigentlich interessiert hätte.
In einem Zeitschriftenladen wollte sie ein paar Ansichtskarten kaufen und stellte fest, daß Israelis, die nach ihr gekommen waren, früher bedient wurden. Um Himmels willen, sagte sie zu sich, ich versuche, ihnen Geld zu geben, man sollte also meinen, daß sie es nehmen wollen. An der Jaffastraße fand sie eine Buchhandlung. Sie erinnerte sich daran, was Gabriel über Rabbi Hersch und sein antichristliches Traktat gesagt hatte, und ging hinein. Der Buchhändler fragte sie etwas auf Hebräisch , und sie verstand nichts. Sie konnte zwar im Schneckentempo Hebräisch lesen, hatte aber keine Chance, es zu sprechen. Nur die Israelis brachten es fertig, im Laufe einer Generation eine Sprache wiederzubeleben, die bereits lange vor Jesu Zeit aufgegeben worden war, überlegte Lucy. Man stelle sich vor, die USA wechseln innerhalb einer Generation zum Altangelsächsischen über – nur eines utopischen Prinzips wegen! Sie betrachtete die Sammlungen chassidischer Volksmärchen, nahm ein paar Bücher aus dem Regal und blätterte glücklich darin herum. Als sie zum Buchstaben H vorstieß, entdeckte sie eine antiquarische Ausgabe von Mordechai Herschs Nicht der Messias. Wie Gabriel gesagt hatte. 1974 erschienen. Gewidmet allen Studenten, die an der »Juden für Jesus«-Bewegung teilnehmen. Möge ihr Abfall vom Glauben sie so beschämen, daß sie zurückkehren zur Gemeinde. Klingt eher nach Khomeini und seinen fatwas als nach Mordechai Hersch, dachte sie.
Sie blätterte durch einen Abschnitt mit dem Titel:
Welche Sorte des Christentums passt Ihnen am besten?
Höhnisch behandelte es nacheinander die verschiedenen Konfessionen des Christentums und machte sie lächerlich, mit besonderer Bissigkeit den Katholizismus. In dem Buch war eine chronologische Tabelle aller Verfolgungen aufgelistet, und in einzelnen Abschnitten wurde beschrieben, wer den Juden in der Historie was angetan hatte.
Die jüdische Gemeinde von Brüssel wurde ausgelöscht, weil Katholiken bezeugten, sie hätten gehört, wie Juden Nadeln in die Hostie steckten, und Jesus habe dabei aufgeschrien. Eine geweihte Hostie mit Blut darauf wurde gefunden, und Tausende von Juden – die, wie immer, die Stadt aufgebaut hatten – wurden grässlich gemartert und verbrannt. In England gab es unzählige Kirchen, die St. Chad und St. Hugh geweiht waren, kleinen Jungen, deren Blut von Juden getrunken worden war. Ein nicht jüdisches Kind verschwand, und es war so gut wie sicher, daß die Juden dafür bezahlen mussten – und natürlich wurden dann alle Schulden bei den jüdischen Geldverleihern gestrichen. Aber Juden mussten Geld verleihen – sie durften keinen Besitz haben, kein ehrliches Handwerk ausüben …
Der Katholizismus hat den Faschismus erfunden, schrieb Rabbi Hersch, und natürlich sind das Papsttum und sein Vaterland das ursprüngliche Modell für den modernen, unfehlbaren Totalitarismus. Spanien, Südamerika, Italien – wo immer der Faschismus gedeiht, findet man die katholische Kirche, die damit verbunden ist, und vergessen wir nicht, daß Hitler aus dem katholischen Österreich und Bayern aufgestiegen ist. Der Vatikan hat Konkordate mit Hitler, mit Mussolini und schließlich 1953 mit Franco unterzeichnet; Papst Pius XII. ließ kein Wort gegen die Konzentrationslager verlauten, obwohl auch eine kleine Anzahl von Katholiken dorthin gebracht wurden – sogar 1943 noch forderte er die Alliierten auf, nicht weiter gegen die Achsenmächte zu kämpfen … Zusammen mit westlichen Sicherheitsmächten schmuggelte die katholische Kirche unter Pius XII. Kriegsverbrecher, darunter viele Priester, aus Europa nach Lateinamerika oder Amerika, wo sie neue Identitäten annahmen – Barbie oder Eichmann, den schlimmsten von all diesen Ungeheuern! Und ein Kardinal, der spätere Papst
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