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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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hundertsten Mal .)
    Dieser Stolperer schien ihn aufzuwecken. »Nur eine Sekunde, Jungs«, sagte er, als er wieder auf den
    Beinen stand, und schwankte in eine Seitengasse. »Dreizehnte Station«, verkündete er. »Die Urinie rung .« Lucy wandte sich ab von diesem Anblick und stützte sich kopfschüttelnd und benebelt gegen eine Mauer.
    Als sie das Jaffator passiert hatten und ein Taxi auftauchte, deponierten Rabbi Hersch und Lucy den Professor auf der Rückbank des Wagens, die er völlig einnahm. Lucy und der Rabbi quetschten sich unangenehm eng nebeneinander auf den Beifahrersitz. Im Klartext: Lucy saß quasi auf Rabbi Herschs Schoß, während der Fahrer, ein älterer Mann, eine Moralpredigt auf Jiddisch murmelte.
    »So kann das nicht weitergehen«, sagte der Rabbi ruhig.
    »Ich weiß«, antwortete Lucy. »Aber wir haben heute eine Menge geschafft. Wirklich!«
    »Ein Forscherteam wäre besser«, meinte er. »Wir müssten ein halbes Dutzend Leute – ich könnte Ihnen aus dem Stand Namen nennen – hier zu einem gemeinsamen Brainstorming einfliegen, um dieses Durcheinander zu entwirren.«
    Lucy teilte O’Hanrahans Gefühl des Verlustes angesichts der bedrohlichen Aussicht, berühmte Gelehrte könnten sich auf ihr Projekt stürzen. Der Rabbi sagte kein Wort mehr, bis sie an der Einfahrt zum König David ankamen. O’Hanrahan kam zu sich, strich sein zerzaustes Silberhaar und sein zerknittertes Jackett glatt. Ein Page fragte, ob der Professor zu seinem Zimmer begleitet zu werden wünsche, aber O’Hanrahan winkte ab. Als der Junge in der Hotelhalle verschwunden war, sagte Rabbi Hersch kalt: »Ich glaube, kleines Mädchen, es ist Zeit, Paddy zurück nach Chicago zu bringen, bevor er sich selbst zerstört.« Und ich sollte auch zurück nach Chicago, dachte Lucy. »Er ist nicht so schlimm.«
    »Nicht so schlimm? Ihre Beschreibung, wie er auf Zypern oder Rhodos war, klang nicht so gut. Und heute Abend !«
    »Rabbi, Sir, Sie haben die letzte Karaffe bestellt! Ich finde es nicht fair, ihm immer wieder nachzuschenken und sich zu amüsieren – und dann am Ende des Abends zu sagen, schön, das war’s, Dr. O’Hanrahan kann sich nicht benehmen, schicken wir ihn heim.«
    »Sie wissen, wovon ich spreche, tun Sie nicht so, als hätten Sie keine Ahnung.« Der Taxifahrer fragte, ob er noch gebraucht werde, und der Rabbi winkte ihm, noch zu warten. Ob er dafür auch bezahlt werde, fragte der Fahrer weiter. »Ja, ja, Sie bekommen Ihr Geld schon«, fauchte der Rabbi. »Schauen Sie«, fuhr er dann fort, »ich hatte gehofft, Ihre Anwesenheit würde Paddy helfen, sich ein bisschen zu bessern, aber ich kenne diesen Kerl. In einer Woche wird er wieder seine alten Mätzchen haben und so jemanden wie Sie einfach unterbuttern. Er sollte nach Hause fahren, wo man ihn pflegen kann, wenn er krank wird …«
    »Welches Zuhause?« fragte Lucy, als der Rabbi schon wieder im Taxi saß. »Er hat sein Haus verkauft, erinnern Sie sich?«
    »Vielleicht würde er nachkommen, wenn Sie nach Hause fliegen.« Aber Lucy wollte nicht zurück nach Hause. »Warum haben Sie Dr. O’Hanrahan zuerst gebeten, mit Ihnen zu arbeiten, wenn Sie ihn für unzuverlässig halten? Sie haben Hoffnungen in ihm geweckt, nur um sie dann wieder kaputtzumachen …«
    Der Rabbi öffnete die Autotür wieder und stieg rasch aus, etwas geplagt, aber nicht wirklich verärgert. Der Fahrer brummte wieder etwas auf Jiddisch und deutete auf den laufenden Taxameter. »Kleines Mädchen«, sagte der Rabbi fest, »sein Leben lang war Paddy immer hart am Rand seines Fachgebiets und hat nur daran herumgefummelt – nur um wieder eine Flasche zu leeren, nur um sich wieder vor der ernsthaften Gelehrsamkeit zu drücken, zu der er fähig war. Niemand auf diesem Planeten kann mir bei diesem Evangelium mehr helfen als Paddy, wenn er sich geistig darauf konzentriert. Aber er scheint die letzte Person zu sein, die versteht, wie ernst das ist! Und wie wenig Zeit er noch hat.«
    »Ich werde ihm helfen, den schweren, steinigen Weg zu wählen, das verspreche ich«, antwortete Lucy schließlich.
    Der Rabbi war nicht überzeugt, aber entschlossen, diesen langen Abend endlich zu beenden. »Und wollen Sie mir auch versprechen, ihn ins Flugzeug nach Chicago zu setzen, wenn er so weitermacht wie jetzt?« Lucy schwor es, da sie damit Zeit schinden konnte. »Lela tov, Miss Dantan«, sagte Rabbi Hersch und setzte sich endlich in sein Taxi.
    6. August 1990
    Der Montagmorgen war schmerzvoll und verkatert.

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