Der dreizehnte Apostel
Paul VI. hatte bei dieser schmutzigen Farce eine Schlüsselposition. Lucy hörte auf zu lesen.
Welche erbärmliche Verteidigung hätte man gegen diese Verbrechen ins Feld führen können? Aber sie wunderte sich, daß Rabbi Hersch ein derart detailliertes Dokument gegen Christen geschrieben hatte.
(Es ist wahr, was er schreibt.)
Lucy stellte Nicht der Messias vorsichtig zurück ins Regal; sie war nicht sicher, ob sie 120 Seiten unablässiger Anklage lesen wollte. Doch dann nahm sie es wieder heraus. Sie beschloss , es zu kaufen und sich mit dieser ganzen Schuld zu durchtränken – als Teil ihrer Erziehung für Israel. Dann sah sie sich in der Abteilung für Mystizismus um, blätterte durch Bücher über Kabbala und Magie, belustigt über diesen umfangreichen Fund von Geheimnissen der Sephardim und Chassidim, verbrämt mit Brocken von christlichem, islamischem und heidnischem Hokuspokus. »Bist du das, Lucy?«
Lucy sah auf und erblickte Farley. »Hi«, erwiderte sie überrumpelt.
»Erinnerst du dich? Ich bin Farley, wir haben uns in Florenz kennengelernt, ich bin aus Louisiana.«
»Ja, ich erinnere mich. Deine Gruppe ist jetzt also in Jerusalem?« Farley war begeistert. »Ja. Hier, siehst du diese Bücher?« Er hatte eine Einkaufstüte voller Pamphlete bei sich und zog eines mit dem Titel Die
einzige Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten für Lucy heraus, ein Traktat auf Grundschul-Niveau mit Bibel zitaten und großen Märchenbuchbildern von Jesus, der Wunder vollbringt und gnädig auf seine irdischen Kinder herabblickt. Wenn Israel Jesus anerkenne, behauptete der Text, würde sich automatisch Frieden einstellen. »Wir geben die Sachen an Buchhandlungen, damit sie die Bücher kostenlos verteilen, weißt du. Wir meinen, daß jeder, der religiöse Bücher kauft, das lesen will.«
Lucy versteckte bewusst den Einband von Rabbi Herschs Nicht der Messias. »Ich glaube nicht, daß die Rabbis in dieser Stadt allzu begeistert sein werden, aber viel Glück.«
Großzügig bestand Farley darauf, daß sie eine der Broschüren für sich selbst behielt. »Ich weiß, daß du es nicht brauchst, weil du ja schon Christin bist«, sagte er, »aber vielleicht könntest du es an jemanden weitergeben. Du trägst ja gar nicht deine Nonnen Tracht .« Lucy beschloss , ehrlich zu sein – auch mit dem Hintergedanken, Detektivin zu spielen; sie würde zu O’Hanrahan eilen und ihm alles mitteilen, was sie in Erfahrung bringen konnte! »Ich bin keine Non-ne.«
»Aber du warst angezogen wie eine …«
»Ja, das war für Pater O’Hanrahan. Ich wollte den lieben Mann nicht wissen lassen, daß ich keine Klarissin bin, verstehst du.« Nicht allzu überzeugend, aber Farley schien außer sich vor Freude, daß Lucy ins weltliche Leben zurückgekehrt war.
»Großartig«, lachte er. »Willst du heute zum Essen kommen?«
»Ich kann nicht«, erwiderte sie wahrheitsgemäß, »ich muss heute zu einem befreundeten Rabbi an der Hebräischen Universität.«
Farley sah niedergeschlagen aus. »Aber du bist nicht Jüdin?«
»Nein, daß ich Katholikin bin, ist schon die Wahrheit. Und ich bin praktizierende Christin«, fügte sie hinzu, bevor er sie wieder fragen konnte, ob sie wiedergeboren sei.
»Wir haben einen Gebetsgottesdienst in der Bapti stischen Mission in der Neustadt, und heute Nachmittag wird meine Mom ihn leiten. Und du könntest meinen Dad kennenlernen. Ich habe ihm alles von dir erzählt.«
»Ach ja?«
»Er hat dasselbe gesagt wie ich: Du solltest kommen und in meinem Bibel-College unterrichten.«
Na gut, der Arbeitsmarkt ist ziemlich eng, dachte Lucy, aber ich glaube nicht, daß es so weit kommt. »Farley«, sagte sie und sah auf ihre Uhr, »ich muss jetzt wirklich los zur Hebräischen Universität. Bis bald!«
Lucy verließ die Buchhandlung und warf das Pamphlet in den nächsten Abfalleimer, kehrte aber nach ein paar Schritten wieder um und fischte es heraus. Sie begrub es dann tiefer in einem anderen Abfalleimer – Farley sollte nicht beleidigt sein, wenn er die Straße entlangging und sein Geschenk zufällig im Abfall sah.
YYY
O’Hanrahan beschloss , kein Taxi mit hebräischem Schild auf dem Dach zu nehmen, da er nach Ostjerusalem fuhr: Waswasah, der bekannte Antiquitätenhändler, hatte sein Geschäft im El-Khodz, einem von Palästinensern geführten Luxushotel, das aus der Zeit stammte, als Jordanien über die Heilige Stadt herrschte.
Im Sonnenschein spazierte O’Hanrahan zum Damaskus-Tor, wo man arabische Taxifahrer
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