Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
Vom Netzwerk:
trinken?«
    O’Hanrahan hatte gehofft, wieder nüchtern zu werden, da er heute ja eigentlich auf Alkohol verzichten wollte … »Ein hervorragender Weißwein, ich versichere es Ihnen, ja?«
    »Vielen Dank, mein Herr, ja«, stimmte O’Hanrahan auf Deutsch zu. Zum Teufel, er hatte noch Zeit genug, vor seinem Treffen mit Lucy wieder nüchtern zu werden. Sie sollte nicht Gelegenheit haben, ihn zu verspotten, weil er seinen Abstinenzlerschwur so schnell gebrochen habe. Der weiße BMW fuhr den Ölberg hinauf zum Intercontinental, das eine Aussichtsterras se hatte, die für ihren überwältigenden Blick über die Altstadt berühmt war. O’Hanrahan ließ sich durch die Eingangshalle zu einem Terrassentisch mit zwei Stühlen führen. Alles war vorbereitet, als hätte man sie erwartet.
    »Ich reise nie ohne meinen Weinkeller«, sagte der Mann. Diese Last mit dem Luxus! Ein junger Türke von fast weiblicher Schönheit kam heraus, um zu fragen, was sein Herr wolle. »Nazim, die Trockenbeerenauslese, bitte.« Der Junge eilte diensteifrig davon, um den Auftrag auszuführen. »Herr Professor, zweimal hätten wir uns fast kennengelernt, und nun ist es soweit!«
    O’Hanrahan nickte mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. »Thomas Matthias Kellner«, stellte der andere sich vor und streckte die fleischige Hand aus. O’Hanrahan bemerkte eine sehr teure Golduhr an einem rosigen Handgelenk. »Wir hätten uns fast in Rom getroffen. Und fast in meiner Heimatstadt Trier, als Sie dieses Jahr im Zuge Ihrer Forschungen dort waren … Sie wissen ja, wonach Sie forschen, hahaha …«
    »Ich weiß nicht recht, wovon Sie reden.«
    »Aber ja doch. Herr Matthias und sein verwirrendes Dokument, nicht wahr? Natürlich weiß ich alles darüber. Ich bin ein früherer Besitzer des Dokuments.«
    O’Hanrahan ließ sich durch den Kopf gehen, welche Informationen er besaß. Als Gabriel in Rom versucht hatte, das Evangelium zu stehlen, und die italienischen Händler es zurückgeklaut hatten, war der nächste Käufer ein Deutscher gewesen. Dann hatten die Ignatianer es von ihm gekauft, bevor die Franziskaner es in ihren Besitz gebracht hatten. »Haben Sie keinen guten Preis dafür bekommen, Herr Kellner?« fragte er schließlich.
    »Wer kann den Preis für einen solchen Schatz nennen?« fragte der a ndere zurück. Der Wein kam. Na zim stellte Gläser und einen Kühlbehälter auf den Tisch. »Wie ich sagte, ich nehme meinen Wein überallhin mit, damit ich nicht irgendein grässliches Zeug der Region trinken muss . Palästina war früher berühmt für seine Reben; den Cabernet vom Karmel kann man immer noch kosten, aber wirklich, Sir, Sie werden mir zustimmen … Mittelmäßigkeit. Die Weinherstellung ist ein wissenschaftlicher Vorgang, mein Freund …« Nazim entkorkte eine Flasche dieses äußerst seltenen Dessertweins von der Mosel, Jahrgang 1976, und goss einen goldenen Schluck in Kellners Glas. »Und wo Wissenschaft erforderlich ist, scheidet der Nahe Osten aus.« Er kostete von dem Wein. »Ah, annehmbar, nicht zu aufdringlich, wie man sagen könnte.« Mit einem Nicken wurde Nazim aufgefordert, O’Hanrahans Glas zu füllen. »Prosit«, tranken sie einander zu.
    »Köstlich«, lobte O’Hanrahan genießerisch. Er hatte noch nie einen so teuren Weißwein getrunken. Er betrachtete das Etikett, das den Weinberg als St.Matthias-Abtei auswies; darunter war ein Emblem abgebildet, das den Insignien der byzantinischen Kaiser ähnelte. »Sie sind Winzer, Sir?« riet O’Hanrahan.
    »Ja«, erwiderte der andere, ohne näher darauf einzugehen. »Tennysons Knittelverse über die Liebe und ihren Verlust gelten nicht für das Sammeln von Antiquitäten, Herr Professor. Diese Schriftrolle war in meinen Händen und ist mir wieder abhandengekommen . Ein Experte hatte mich davon überzeugt, daß die Schriftrolle, die ich gekauft hatte, nicht das Matthäusevangelium sei, nach dem ich seit zwanzig Jahren gesucht hatte. Dieser Experte behauptete, man habe mich betrogen und es handle sich um ein Pseudo-Evangelium aus dem 13. Jahrhundert.«
    »Das tut mir leid, Herr Kellner.«
    »Ich dachte also, man habe mich in Rom beschwindelt«, fuhr Kellner fort, »und hielt es für ein Glück, daß ich so rasch einen Käufer für das Ding fand. Einen einfachen irischen Kirchenmann, der in Irland eine Bibliothek aufbauen wollte, wie er mir zu verstehen gab. Ach! Alles eine Farce.«
    »Herr Kellner, seit wir in Irland waren, ist ein Mann in einem deutschen Mietwagen hinter uns her, der uns

Weitere Kostenlose Bücher