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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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vergingen, und der Wind blies die Flammen weg von seiner oberen Hälfte, während er bis zur Taille hinauf verbrannt war. ›Ich kann nicht brennen, Gott helfe mir!‹ schrie er immer wieder. Ein Jahr später kam Erzbischof Cranmer an die Reihe, der zuerst widerrufen und gesagt hatte, er werde wieder zurück zum Katholizismus konvertieren, obwohl er, aus Prinzip, auf jeden Fall geröstet werden sollte. Aber auf dem Scheiterhaufen nahm er seinen Widerruf zurück. Er steckte die Hand, die den Widerruf unterzeichnet hatte, in die Flammen, bis sie Feuer fing. So losgesprochen, übergab er bald darauf auch seinen übrigen
    Körper dem Feuer.«
    »Ganz schön grausig.«
    »Kardinal Newman kämpfte erbittert darum, das
    Martyrs’ Memorial abzureißen, da er ein Spätkonver tierer zurück nach Rom war. Newman, Pusey, Keble, Hopkins – eine ganze Generation heimlicher Schwuler, die zum Katholizismus oder zumindest zu einer überspannten Hochkirche konvertierten.«
    Lucy riss die Augen auf bei diesem Urteil; immerhin hatte ihre Mom einmal einen Kardinal-Newman-Gebetskreis geleitet. Auf der Schwelle des Hotels versicherte ihr O’Hanrahan: »Wann immer Sie brave protestantische Jungs sehen, die Rom in den Arsch kriechen, oder kathol ische Jungs, die es in einen Or den zieht, haben Sie eine überdurchschnittliche Wahrscheinlichkeit, daß Homosexualität im Spiel ist, denn Katholizismus bedeutet schließlich Lagerleben. Die Jungen wollen Verkleiden spielen, in den Mini strantengewändern herumrascheln, die Ringe küssen, das Weihrauchfass schwingen …«
    Lucy erkannte mürrisch, daß Judy hier einen ungleichen Verbündeten hatte.
    O’Hanrahan hielt Lucy die Hoteltür auf. »Auf jeden Fall haben sich die katholischen Orden wieder in Oxford eingeschlichen, trotz aller menschlichen Freudenfeuer. Jetzt gibt es in England mehr praktizierende Katholiken als Anglikaner. Es gibt sogar mehr praktizierende Moslems.«
    »Wirklich?«
    »Hoffentlich dreht sich Heinrich im Grabe um oder in der Hölle, oder wo immer er ist.«
    (Hölle.)
    Das Hotel Randolph. Die Zwischenstation der Reichen in Oxford, wo es ausgedehnte Fünf-Uhr-Tees und 150-Dollar-Zimmer gab; wo junge Gentlemen private Räume mieteten und sich mit Bollinger-Champagner, 70 Dollar pro Flasche, sinnlos betranken, an Kronleuchtern schaukelten, sich vor den anderen Gästen entblößten, im Suff umkippten oder kotzten und dem Hotel Randolph danach dicke Schecks ausschrieben und schworen, es im nächsten Jahr bestimmt nicht wieder zu tun. Der Frühstücks raum prangte in gedämpfter edwardianischer Pracht, und schweigend bewegten sich Lucy und der Professor zwischen uniformierten Kellnern, Farnen und Oxfords gutgekleideter und leise frühstückender Elite hindurch. »Englischer Frühstückstee«, murmelte O’Hanrahan und rieb sich die Augen, weil er stärker litt als gewöhnlich, »ist der Espresso unter den Tees. Man kann den Stoff fast fixen.« Lucy lächelte, nicht ganz sicher, was »fixen« bedeutete. »Nicht wie die geschmacklosen Lipton-Teebeutel in einem Styropor becher , die man in vielen feinen amerikanischen Häusern bekommt.« Unter dem Einfluss des englischen Frühstückstees, serviert in einer hübschen Kanne und zu O’Hanrahans Entzücken mit zwei Sorten Zucker in Schälchen und Sahne und Milch in kostbaren Kännchen, beschleunigte sich seine Wiederbelebung. Man legte ihnen die Speisekarte vor. Lucy sah sofort, daß sie nur mit viel Glück unter 15 Pfund davonkommen würde. Sie überlegte, daß sie 20 Pfund in Kleingeld hatte, und dann noch Scheine und Travellerschecks …
    »Guter Mann«, erklärte O’Hanrahan dem langge sichtigen Kellner, »für den Anfang hätte ich gerne Heringe in Sahnesauce auf einem Teller mit einer Scheibe kalter Cantaloupe-Melone und auf der Seite noch eine Scheibe Ihres mildesten schottischen Schinkens – nein, doch lieber prosciutto. Ich vermisse bella Italia …«
    Lucy rechnete stumm: sechs Pfund plus fünf Pfund macht elf, plus … » … danach dann zwei pochierte Eier. Dazu ein knuspriges Muffin und eine Schnitte kanadischer Räucherspeck. Ach, und sehen Sie, auf der Speisekarte steht black pudding! Nehmen wir doch eine Portion davon – oder besser zwei, ja?«
    Vielleicht akzeptiert man meine Travellerschecks, dachte Lucy, ein große s, feines Hotel wie hier. Ver dammt, mach, was du willst, aber nimm bloß nicht das Steak!
    »Ach ja, ich glaube, dann eine petite béarnaise, noch ein bisschen blutig, bitte.«
    »Wie Sie wünschen,

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