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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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dem richtigen Dampfer«, hatte Judy in der Küche geflüstert.
    Und Lucy, ermutigt, hatte ziemlich erfolgreich mit Luke geflirtet und hätte vielleicht sogar Chancen bei ihm gehabt, aber eines Abends, bei einer Menge Wein, kamen Christopher, Gabriel, Lucy und Luke auf das Thema Katholizismus versus Protestantismus; Luke gab einen sehr überzeugenden Rückblick auf das letzte Jahrhundert des katholischen Strebens nach Dominanz und weltlicher Herrschaft und erklärte, der römische Katholizismus sei im Niedergang begriffen. Eine amüsante Diskussion über die autoritative päpstliche Unfehlbarkeit flammte auf, und während Gabriel und Luke redeten und Christopher nickte, zog Lucy sich innerlich zurück und dachte: Ich weiß, daß alles, was du über den Katholizismus sagst, absolut wahr ist, Luke, und ich pflichte dir sogar bei, aber du könntest mich nie so lieben, wie ich es brauche, wenn du die Jahrhunderte katholischer Tradition, die zu der komplizierten Person geführt haben, die ich geworden bin, so dumm findest, wie du sagst.
    (Meinst du, Mein Kind, deine Liebe würde die Kontroverse nicht überleben oder dein römischer Katholizismus?)
    Verflixt, Luke, seufzte sie, wärst du doch ein verträumter Halbagnostiker mit einer verschwommenen New-Age-Vorstellung von einer universellen Ordnung, offen für kuriose Mantras aus dem Osten und neugierig auf alle nur vorstellbaren Kulte – damit könnte ich leben. Aber ein Christ und nicht katholisch sein bedeutet unvermeidlich, antikatholisch zu sein, und ich bin sicher, daß wir dieses Problem nie überwinden könnten. »Das habe ich mir gedacht«, hatte Judy ihr gepredigt, als Lucy versucht hatte, das zu erklären. »Du lässt eine Chance mit einem jungen Gott wie Luke sausen, weil« – und hier ahmte sie sie höhnisch-herabwürdigend nach – »weil er kein Katholik ist wie du. Tribalismus. Deswegen jagen sie sich in Nordirland gegenseit ig in die Luft, weil sie so den ken, wie du denkst.«
    (Es ist etwas dran an dem, was Judy sagt, Lucy.)
    Lucy seufzte, irgendwie beschämt, weil sie offenbar bei einer Position angelangt war, die ihre sauertöpfische alte irische Großmutter glühend verteidigt hätte:
    essen, trinken, leben und atmen nur unter Katholiken. Tatsache war, hatte Lucy sich selbst unumwunden gesagt, daß sie aus ihren Beziehungen zu Männern einen Riesenpfusch gemacht hatte. Eine Bilanz an Liebesaffären existierte einfach nicht – und schuld daran war sie selbst. Von Lucy hörte man keine weinerlichen Anklagen gegen ihre Erziehung oder ihren katholischen Glauben oder ihre Mutter, die ihr Schuldgefühle einflößte; ihr Leben ohne Liebesbeziehungen hatte sie sich mit ihrem unfehlbaren Sinn für verpasste Gelegenheiten sorgfältig selbst zusammengeschustert – sie rannte gerade dann davon, wenn sie sich eigentlich nicht vom Fleck hätte rühren sollen, und investierte viel Energie bei der Verfolgung von vagen Möglichkeiten und Sackgassen. Lucy verließ das Café , noch ein wenig melancholischer, aber entschlossen, Dr. O’Hanrahan aufzuspüren und herauszufinden, wo Gabriel steckte. Die tiefhängenden Wolken waren nun blendend weiß, so daß Lucy blinzeln musste . Sie spazierte den schmalen Gehsteig entlang, während Metzgerjungen mit altmodischen Strohhüten und gestreiften Schürzen auf ihren Fahrrädern vorbeiflitzten und blutige Fleischstücke an diverse Küchen auslieferten, für weitere Bankette und Festmähler. Lieferanten rollten Bierfässer in die Colleges, Milchmänner brachten Träger voll klirrender Flaschen.
    Lucy kam am All Souls’ College an und wurde eingelassen, um Dr. O’Hanrahans Gästezimmer aufzusuchen. Sie klopfte vergebens und wollte schon wieder gehen, als sie von drinnen ein Geräusch hörte, ein Knurren oder Knarzen.
    »Was ist los?« brummte O’Hanrahan, bevor er die Tür öffnete. Lucy lächelte und betrachtete den großen Mann in seinen Kleidern, in denen er gestern Abend umgekippt sein musste : »Guten Morgen, Dr. O’Hanrahan.«
    »Wer sind Sie?« fragte er mitgenommen, aber ernst. »Was sind Sie?«
    »Ich bin Lucy Dantan, erinnern Sie sich?«
    Er starrte sie an. »Habe ich Sie letzte Nacht in meinem Suff belästigt? Ihnen süße lateinische Redensarten ins Ohr geflüstert?« Lucy errötete ein wenig. »Äh, nein, Sir.«
    »Gott sei Dank, Sie sind wirklich nicht mein Typ.«
    »Noch sind Sie meiner«, riskierte sie zu sagen. »Ich bin zum Frühstücken gekommen.«
    »Oh.« Wieder versuchte er, klar zu denken. »Das haben

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