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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Riesling bestellen wollte. »Das war Wortmagie«, behauptete er.
    »Ich wurde als Kind von meinem Onkel in Willi amsburg , Brooklyn aufgezogen«, fuhr der Rabbi fort, »und hatte ein starke Abneigung gegen diesen Wort-Hokuspokus, weil das noch so eine Sache war, die die Chassidim glaubten und wir nicht. Mein Onkel sagte das gleiche wie Sie, kleines Mädchen, daß man damit alles beweisen kann, wenn man es versucht.«
    »Der Name ›Jesus‹ und das Wort ›Messias‹ kommen beide auf den Wert 74, was diesen Gematrie-Aposteln äußerst ungelegen ist«, unterbrach O’Hanrahan.
    »›Jesus‹ ist griechisch«, erinnerte der Rabbi. »Mit seinem aramäischen Namen funktioniert es nicht. Egal, in Brooklyn habe ich von einem Chassiden die Geschichte von Rabbi Nehemia gehört, der in einer schmutzigen kleinen Stadt namens Lodzuk’ in Polen lebte. Bei einem Kosakenüberfall zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die ganze Stadt niedergebrannt, und die Leute standen da ohne eine Kopeke. Sie wandten sich an Nehemia, ihren tzaddik, ihren chassidischen Guru, wenn Sie so wollen, und baten, er solle ihnen sagen, warum Gott das zugelassen habe. Der Rabbi antwortete, es sei Gottes Absicht gewesen, sie zu demütigen, damit sie die Wunder der Thora sähen. Lodzuk’ komme auf einen Wert von 67, erklärte er, und wenn man das zu Thora mit dem Wert 611 hinzuzählte, ergab es 678, was übereinstimmt mit dem Aravot, dem siebten und höchsten Himmel. Da Aravot außerdem ›Felder‹ bedeutet, empfahl er, die Stadt solle zu ihnen zurückkehren und erneut ihre Feldfrüchte anbauen.«
    »Wow«, meinte Lucy.
    »Als Kind in Brooklyn habe ich auch von einem tzaddik in der Nähe gehört, der in den zwanziger Jahren mit seiner gesamten Gemeinde aus dem Sudetenland gekommen war, weil ein älterer Mann zufällig bemerkt hatte, die Geisterschrift warne vor Hitlers Machtergreifung. Erinnern Sie sich, bei Daniel kommt der Finger Gottes hernieder und schreibt die Worte an die Wand: Mene Mene Tekel Upharsim, und diese Buchstaben ergeben den Wert von 1776, das Geburtsjahr Amerikas. Auf dieser Grundlage riet der tzaddik seiner Gemeinde, ihre Sachen zu packen und nach Amerika auszuwandern, und recht hat er daran getan. Wäre doch diese Gematrie damals in Mitteleuropa die große Mode gewesen!«
    »Gewäsch bleibt Gewäsch«, sagte der zweifelnde O’Hanrahan, »ob es römisch-katholischer Reliquie nunsinn oder jüdischer Wortspielunsinn ist. Willst du Lucy nicht zeigen, wie man einen Golem macht, Morey?«
    Rabbi Hersch begann zu erklären, wie man Leben erschaffen konnte: »In Hiob 28,13, so wie es in der Mi drasch Tehillim diskutiert wird, wird darauf hingewiesen, daß die Thora nicht in der korrekten Reihenfolge angeordnet sei, daß ein oder zwei Buchstaben am falschen Ort, daß Kapitel umgeordnet seien. Wenn jemand die ursprüngliche Anordnung, in der Gott die Thora geschaffen hatte, wiederherstelle, dann könne er auch Welten erschaffen und Tote zum Leben erwecken.« Lucy wurde daran erinnert, wie wenig sie über jüdischen Mystizismus wusste .
    »Und das haben Kabbalisten im Mittelalter ver sucht?«
    »Man konnte einen Menschen erschaffen«, erklärte der Rabbi, ohne die Miene zu verziehen, »wenn man das hebräische und die anderen einundzwanzig göttlichen Alphabete rezitierte – es gab viele Formeln –, aber diese vom Menschen geschaffene Kreatur war zwar lebendig, konnte aber weder denken noch sprechen. Das konnte allein Gott vollenden. Wenn man aber zufällig die Thora in die richtige Reihenfolge brachte, konnte man einen Menschen schaffen, der die Gabe der Sprache besaß. Solomon ibn-Gabirol erschuf sich im Jahr 1100 eine Frau, die ihm das Haus putzte und das Essen kochte.«
    »Billiger als sich e ine von diesen aufblasbaren Pup pen zu kaufen, meinst du nicht?« meinte O’Hanrahan.
    »Beachten Sie diesen Mann überhaupt nicht«, sagte Rabbi Hersch zu Lucy.
    »Vielleicht könnten Sie Rabbi Hersch dazu bewegen, Ihnen einen Mann zu machen, Luce.«
    Lucy versuchte, lauter zu reden. »Und Sie haben in diesen Kabbala-Anleitungen aus dem Mittelalter nach Alphabeten gesucht, Rabbi?«
    »Ja, um auf einem langen Umweg wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen, ich habe in Abschriften des Alphabet von Ben Zira nachgesehen. Ben Zira war ein Mann, der einen großen Ruf darin hatte, Golems zu erschaffen und wieder zu vernichten. Ich versuche, mir vorzustellen, was Rabbi Rosen sich angesehen hat, als er 1949 das Matthäusevangelium übersetzte. Hast du Rabbi

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