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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Leuchten auf deinen Wangen«, witzelte Gabriel. »Wie meine Schwester Liz, als sie ihr Kind erwartete!« Lucy kam ein düsterer Gedanke. Ooooh, ein sehr düsterer Gedanke. »Also, was sagst du? Tee im christlichen Viertel?« Gabriel hatte den ganzen Nachmittag geplant. »Ich möchte welche von diesen Sesambrezeln …«
    »Oh, Gabe«, sagte Lucy und atmete flacher, »ich muss jetzt packen und mit O’Hanrahan reden. Verzeihst du mir, daß ich nicht mit dir gehe und Fotos mache?«
    Er sah so aus, als werde er das nicht verzeihen. Lucy umarmte und küsste ihn zum Abschied.
    »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?« fragte Gabriel, als sie auf den Aufzug zuging.
    Ja, kann sein, daß etwas nicht in Ordnung ist, sagte sie zu sich selbst. Aber sie konnte jetzt nicht auch noch diesen Gedanken mit all seinen Verwicklungen verfolgen.
    Während sie im Aufzug nach oben fuhr, wünschte sie nur noch eines – weg von all den Gaunereien, von den internen Streitigkeiten, weg von den Intrigen und der Unsicherheit. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich danach, wieder in Chicago in ihrem eigenen Bett zu schlafen, ihre Mutter wiederzusehen, sogar Judy wiederzusehen. Es würde O’Hanrahan schwer treffen, wenn sie ihn verließ. Aber sie war entschlossen, sich dieser Auseinandersetzung sofort zu stellen. Sie klopfte an O’Hanrahans Tür und nannte ihren Namen. »Wir müssen über etwas sehr Wichtiges reden«, begann sie.
    O’Hanrahan sah strahlend aus und summte vor sich hin, während er munter seine Sachen packte. Das Telefon klingelte. »Oh«, stöhnte er und unterdrückte ein Lächeln, »das ist wieder dieser Trottel, Pater Vico. Könnten Sie bitte abnehmen und sagen, daß ich ausgegangen bin?«
    Ohne zu denken tat Lucy, was er ihr sagte. Es war Pater Vico, und er stotterte Italienisch mit ein paar Brocken Englisch ins Telefon. »Warten Sie, Pater, langsam«, bat Lucy. »Was sagen Sie?« O’Hanrahan formte mit den Lippen, daß er nicht da sei. »Er ist nicht da.« Lucy hörte dem hysterischen Franziskaner zu. »Die Schriftrolle ist was?« Bei Pater Vicos folgenden Worten riss Lucy die Augen weit auf. Erschüttert betrachtete sie O’Hanrahan, der ruhig weiterpackte. »Ja, natürlich sage ich es ihm, Pater … Ja, sobald ich ihn sehe, sage ich ihm, daß er sich bei Ihnen melden soll. Ja, Pater … Ja, ich werde auch beten, Pater, ja … Bye-bye, Pater«, sagte sie schließlich zu dem übersprudelnden Franziskaner, legte den Hörer auf und wandte sich sofort dem Professor zu: »Dr. O’Hanrahan, ich habe schlechte Nachrichten. Es scheint, daß die Schriftrolle wieder gestohlen worden ist!«
    »Ja.« Er zog eine Augenbraue hoch und erklärte gelassen: »Ich habe sie gestohlen.«
    Lucy sperrte den Mund auf.
    O’Hanrahan hob seinen unordentlich in den Koffer geworfenen Bademantel hoch und zeigte ihr den Schriftrollenbehälter darunter. »Da ist sie. Gestohlen
    direkt aus den Gelassen der Franziskaner in der Gra beskirche .« »Aber wer hätte …« Dann flüsterte sie: »Gabriel?«
    »Genau. Er hat mir gesagt, daß er aus dem Orden austreten werde, daß er ihn nicht länger unterstützen wolle, und da habe ich gesagt: Na gut, dann stiehl mir die Rolle zurück! Es war anscheinend ganz leicht
    – Gabriel hatte Pater Vico beobachtet, wie er sie aus dem Safe geholt und wieder hineingelegt hat. Außerdem versteht sich Gabriel gut mit Bruder Antonio … Ich habe keine Fragen gestellt. Ich nehme an, er hat sie diesmal geklaut, um sich mit mir auszusöhnen, also habe ich ihm ein paar nette Worte gesagt, und wir haben uns umarmt …« Er parodierte Gabriel: »Es war eine ganz besondere Erfahrung für meine Weiterentwicklung.«
    »Warum haben Sie mich nicht in Ihren Plan eingeweiht?« fragte Lucy nur.
    »Weil Sie und Morey so dicke Freunde geworden sind. Ich wollte es nicht riskieren. Hey, hat Gabriel Ihnen gegenüber erwähnt, was er für mich tun würde?«
    Nein, dachte sie selbstsüchtig. Wie üblich dreht sich die Welt ohne mich. »Und das ganze Theater unten mit Rabbi Hersch?«
    »Ich sollte einen Oscar bekommen, nicht? Schauen Sie, Sie haben ja selbst gehört, daß Morey den Franziskanern die Rolle abkaufen und Beaufoix holen wollte, wozu er auch berechtigt ist.«
    »Es ist seine Schriftrolle«, erinnerte Lucy.
    »Nein, Ma’am.« O’Hanrahan knallte den Koffer zu. »Es ist meine. Sie ist mein Schicksal und von niemandem sonst, ausgenommen möglicherweise Sie.« Lucy war sprachlos.
    »Sind Sie noch interessiert an einem akademischen

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