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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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habe ich es wirklich geschafft. Ich habe mein ganzes Leben versaut. Und sogar mit Gott habe ich es mir jetzt verdorben.
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    O’Hanrahan saß auf der großen Sonnenterrasse des
    Hotels in einem Korbst uhl, hatte die veralteten west lichen Zeitungen der letzten Woche vor sich aufgestapelt, trank Tee, knabberte an einem Stück Brot herum und zog zwischendurch an einer Zigarre, die glimmend im Aschenbecher lag – im Augenblick fühlte er sich wie ein Sultan. »Dr. O’Hanrahan«, kündigte Lucy, die um elf Uhr vormittags endlich auf den Beinen war, ihr Erscheinen an. »Wir müssen miteinander reden, Sir. Ich habe das Gefühl, ich sollte besser nach Hause fliegen.«
    O’Hanrahan studierte gerade den London Daily Telegraph vom Vortag, vor allem die ausführlichen Berichte über Gräueltaten des Irak in Kuwait. Ausländer, so hieß es, hätten außerdem Schwierigkeiten, aus dem Irak herauszukommen. »Hmm? Heimfliegen?« wiederholte er zerstreut. »Jetzt fängt es doch gerade an, gut zu werden.«
    »Ich mache mir Sorgen um meine Gesundheit.«
    »Sie nehmen doch Ihre Malariapillen? Solange Sie kein Leitungswasser trinken, ist alles in Ordnung.« O’Hanrahan warf einen Blick auf Lucy, um zu sehen, ob sie krank war. »Ah. Der Fluch der Pharaonen hat Sie schließlich eingeholt, hehehe. Ich hatte gestern meinen schlechten Tag.«
    Lucy, die blass war und rote Augen hatte, setzte sich ihm gegenüber und schlug nach den Fliegen, die
    sofort um sie herumsurrten. »Sie sind immer noch entschlossen, über Land nach Khartum zu fahren?«
    »Wo sonst soll ich das unschätzbare Material über das untergegangene Reich von Meroë bekommen, hm? Wo sonst, wenn nicht an der Universität von Khartum und in den Archiven des Nationalmuseums?«
    »Könnte nicht jemand diese Sachen für uns kopieren?«
    »Wenn man sich die Qualität sudanesischer Kopien, das Funktionieren der sudanesischen Post und die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Sudanesen ansieht, hat dieser Gedanke nicht die geringste Chance.« O’Hanrahan faltete die Zeitung zusammen. »Khartum ist der Schlüssel für uns, Lucy. Professor Fletcher hat zu Beginn des Jahrhunderts mit dem Versuch begonnen, das Meroïtische zu entziffern, und sein ganzes Leben dieser Aufgabe gewidmet.« O’Hanrahan hob belehrend den Finger. »Viele Wissenschaftler haben achselzuckend aufgegeben und die Sache erst einmal ad acta gelegt. Aber bei dem neuen Interesse an Afrika kann es jeden Tag sein, daß irgendjemand diese Sprache knackt, also müssen wir zuerst dorthin, Schwester Lucy!«
    Lucy konnte nichts dazu bewegen, O’Hanrahans Enthusiasmus zu teilen. Niedergeschlagen starrte sie auf die Zeitungen mit den Neuigkeiten über den Einmarsch in Kuwait. In der New York Times war ein Foto von General Colin Powell abgebildet, daneben fand sich eine Tabelle über die Einberufung amerikanischer Reservisten. Ein Foto von Jesse Jackson, der sich lauthals darüber beschwerte, daß in der Army zu viele Schwarze seien. Wir werden doch wohl keinen Krieg im Nahen Osten führen, dachte Lucy düster und stand auf.
    »Wo gehen Sie hin?«
    »Spazieren«, antwortete Lucy und klopfte auf ihre Kamera, die sie um den Hals hängen hatte.
    Es hatte bereits 38 Grad Celsius, als sie ein paar staubige Straßen entlang bis zu dem großen Hotel Ca taract spazierte, einem Nobelschuppen, herausgeputzt wie eine maurische Villa, mit Blick auf die Insel Elephantine. Lucy bat an der Rezeption um ein Auslandsgespräch. Ein dunkelhäutiger Mann, dessen Gesicht ein einziges Lächeln war, nahm ihre Nummer
    und wählte mehrmals, bis er eine Verbindung bekam.
    »Rabbi Hersch?«
    »Was? Lucy! Wo zum Teufel habt ihr gesteckt?«
    »Wir sind in Assuan. Morgen brechen wir auf nach Khartum …«
    »Khartum?«
    Lucy hörte ein Geräusch, als hätte der Rabbi das Telefon fallen lassen.
    »Alles erklärt sich von selbst – Sie sind genauso meschugge wie er! Steht demnächst auch noch der Mond auf der Reiseroute?« So laut hatte Lucy den Rabbi noch nie brüllen hören. »Sagen Sie mal, haben Sie denn keine Ahnung von dem Bashir-Regime im Sudan? Ich erzähle Ihnen besser nichts, damit Sie heute Nacht schlafen können, okay?«
    Einen Moment herrschte Schweigen, dann sagte der Rabbi etwas ruhiger:
    »Hören Sie zu: Sie können zurückgehen nach Chicago und aufhören, Ihre Zeit zu vergeuden. Ich habe schlechte Nachrichten. Die Schriftrolle ist Pater Vico gestohlen worden, und wir stehen auf jeden Fall wieder ganz am Anfang.«
    Lucy zögerte

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