Der dreizehnte Apostel
hingegeben. Ich habe meine Jugend geopfert, dann das Leben der Gattin und Mutter, das mein hätte sein können; und habe unter diesen Gewändern meine Schönheit verleugnet. Diese Gewänder verbergen Narben. Kleine Messerschnitte, in deren Wunden wir Würmer sich weiden ließen, haben meine prangenden Wangen gedemütigt, mit ungelöschtem Ätzkalk getränkte Blätter die hoffärtigen Brüste …«18
Ich rief aus: »Maria, nein …« »Keine Angst, ich werde mich nicht entschleiern, um dir zu zeigen, was der Söldner gefunden hätte, der mir hätte Gewalt antun wollen. Dir werde ich den Anblick ersparen. Aber schließlich habe ich meine Schönheit doch nicht schrecklicher verwüsten können, als über kurz oder lang das Alter es auch ohne meine Mitwirkung getan hätte. Nicht wahr? Eines Tages, im Himmel, vor Ihm, wird mir meine Schönheit zurückgegeben werden, ich werde schön sein wie die Engel dann … und anverlobt von neuem dem himmlischen Bräutigam.« Dann schien sie mich anzuflehen: »Matthias! Falls du diese Geschichte wahr findest, diese verleumderische Erzählung des Sklaven Benjamin von einer aus dem Grabe gestohlenen Leiche … Lasse es mich nicht hören. Versprichst du mir das?« Ich gab ihr mein Wort.
38.
Und so verließ ich Thmuis, kurz vor Sonnenaufgang, mit Marias Segen. Eine wahrhaft bemerkenswerte Frau! Der Gedanke, daß ich sie nie wiedersehen werde, stimmt mich traurig.
Wirklich, Tesmegan, wie unterschiedlich sind doch die Frauen, die der Herr uns hienieden zur Gesellschaft gegeben hat – einerseits so reine Seelen wie Maria von Magdala und Marjam von Bethanien, die wohltätige Königin Helena und deine eigene gnädige Herrscherin hier in Meroë – andererseits diesen Inbegriff der Unzucht, die andere Helena! Ach, selbst hier noch, Tausende und Abertausende von Stadien weit von dem höllischen Ort, wo sie lüstern mit dem Hintern wackelt, brauche ich an die Hure des Magiers nur zu denken, und gleich wird’s mir schwarz vor Augen. Ihre grauenhaften Titten!
AFRIKA
Siehe sie, die da glauben, und die Juden und die Nazarener und die Sabier – wer immer an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag und das Rechte tut –, die haben ihren Lohn bei dem Herrn, und Furcht kommt nicht über sie, und sie werden nicht traurig sein.
Koran 2, 59 (62)
Einer klopfte an Gottes Tür, und von drinnen fragte eine Stimme: »Wer ist da?« Dann antwortete er: »Ich bin es.« Und die Stimme sagte: »Dieses Haus ist nicht groß genug für mich und dich.« Also blieb die Tür geschlossen. Dann enteilte der Gott Liebende in die Wildnis und betete und fastete in Einsamkeit. Und nach einem Jahr kehrte er zurück und klopfte abermals an. Und abermals fragte die Stimme: »Wer ist da?« Und der Gott Liebende sagte: »Du bist es.« Dann wurde die Tür geöffnet.
Aus den Mesnewi oder Doppel ver sen des Scheichs DSCHELAL ED-DIN RUMI, Stifter des Ordens der Mew lewja oder tanzenden Derwische (der im Jahre 1273 christlicher Zeitrechnung starb)
Was immer du mir von dieser Welt geben willst, gib es deinen Feinden, und was immer du mir von der nächsten Welt zugedacht hast, gib es deinen Freunden. Du bist genug für mich.
Gebet der hochbetagt im Jahre 807 der christlichen Zeitrechnung zu Basra verstorbenen RABI’A AL ’ADAWIYA
Wer einen Moslem platt macht, kommt in den Himmel.
Kreuzzugspredigt des hl. BERNHARD VON CLAIRVAUX, 1146 (aus dem Gedächtnis zitiert)
ASSUAN
15. August 1990
Lucy wurde vom Morgenruf des Muezzin geweckt. »Allahu akbar! Allaaaaaaaaaahu akbaaaaaaann!« Sie spürte, wie rasch ihr Herz klopfte, weil sie von dem Ruf erschrocken war. Nach einer momentanen Panik der Orientierungslosigkeit erinnerte sie sich, daß sie in Ägypten war, in Assuan, und daß der Muezzin, der lautsprecherverstärkt von den Minaretten der Stadt rief, sie lediglich aufforderte, an Gott zu denken und daran, daß es keinen Gott außer Allah gebe.
»Ash-hadu an laa ilaaha illa ’llaah …«
Schnell war sie hellwach. Der Himmel war noch dunkel, noch zeigte sich kein Dämmerlicht, nur ein tiefes, kaltes Blau am östlichen Himmel über der Wüste. Und dennoch waren bereits Marktleute, Bettler, Waschfrauen und Männer, die in den Kaffeehäusern arbeiteten, unterwegs – gedrechselte arabische Segenssprüche wurden ausgetauscht, man wünschte einander die Gärten, die Düfte und die Muße des Paradieses –, und alle warteten geduldig auf die Öffnung des Brunnens in der Moschee, um sich den Schlaf aus den
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