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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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brummte er. »Das ist das letztemal, daß ich etwas mit so einem verdammten christlichen Evangelium zu tun haben will! Das hier war nichts als ein langer Tritt in den toches!«
     
    AM NIL
    16.-17. August
    Touristen gab es um diese Jahreszeit natürlich keine. Wer würde auch so verrückt sein und im Sommer den Nil hinaufreisen? O’Hanrahan ging vormittags zu einer Bank und fragte, wie hoch das Limit der Kreditkarte der Merriwether Industries für Bargeld sei, und erfuhr, daß er tausend Dollar haben könne. O’Hanrahan überlegte. Er könnte sich die tausend Dollar geben lassen und sie ausgeben, ohne weiter eine Spur zu hinterlassen, außer der, daß die Auszahlung in Assuan stattgefunden hatte. Aber würden die klugen Köpfe bei Merriwether Industries nicht vermuten, daß Assuan nur eine Zwischenstation für einen Vorstoß nach Khartum war? Er riskierte es nicht. Er nahm seine eigene Kreditkarte, um sich Bargeld in sudanesischen Pfund geben zu lassen, und verstaute die fremde VisaCard für immer in seiner Brieftasche, entschlossen, sie nicht mehr zu benutzen. So viele Leute wollten auf der Fähre in den Sudan reisen, daß auf dem Dampfer nach Wadi Haifa, dem sudanesischen Stützpunkt an der Grenze, den man nach einer vierundzwanzigstündigen Fahrt über den Assuan-Stausee erreichte, nur noch eine einzige Kabine erster Klasse frei war. Als Friedensangebot hatte O’Hanrahan diese Kabine mit ihrer vorsintflutlichen Klimaanlage Lucy überlassen. Für sich nahm er eine Kabine zweiter Klasse und bezahlte für alle Kojen, so daß er sie allein hatte. Lucy erwachte mitten in der Nacht und stellte fest, daß ihr kalt war. Sie tastete nach der Nachttischlampe, versuchte, die Augen an das Licht zu gewöhnen, und probierte an jedem Schalter und Knopf der Klimaanlage herum, um den kalten Luftstrom auszuschalten. Schließlich zog sie den Stecker heraus. Vielleicht war es ja wirklich kalt. Sie öffnete die Kabinentür, und tatsächlich – es war tiefe Nacht und die Luft ziemlich kühl. Der See lag still und schwarz wie Öl, am Himmel leuchteten zahllose Sterne. Am Ufer sah sie kaum ein Licht – vielleicht ein nubisches Lager oder ein Dorf der Shaiga oder der Gaalyeen.
    Das war Afrika. Stammesangehörige, die sich um ein Feuer scharen und eine Sprache sprechen, die nur sie allein verstehen, Völker, deren Mitglieder sich in ihren physischen Merkmalen gleichen, deren Kleidung, Gesänge und Tänze nach einem bestimmten Muster geformt sind – von vielen Jahrhunderten und harten Lebensbe dingungen, vom Rhythmus der Nil überschwemmungen und von Wohlwollen oder Gleichgültigkeit der Götter. Völker, die Geschichten weiter tradieren, die seit den ursprünglichen Geschichten, die ein Gott selbst den Vorfahren erzählt hatte, verschönt und ausgeschmückt worden waren. »Primitive« Völker; ein B egriff, den viele der political ly correct Studenten an der Universität beleidigend fanden, aber »primitiv« im Sinne von primus – zuerst, ursprünglich, als erste hier –, das war nicht beleidigend. Denn hier stand die Wiege der Menschheit, erinnerte sich Lucy, an diesem Fluss , wo man die bisher ältesten Knochen des Homo sapiens gefunden hat. Der erste Ort auf dem Planeten, der menschliches Leben gesehen hat –, und ironischerweise vielleicht auch der letzte Ort, der für Menschen erträgliche Lebensbedingungen bot.
    Am nächsten Morgen, als Lucy und Dr. O’Hanrahan feststellten, daß vor Samstagabend kein Zug nach Khartum fahren würde – zwei Tage Wartezeit! –, betrachteten sie den Kontinent mit weniger freundlichen Augen. »Wo … ist … der Zug?« fragte O’Hanrahan in überdeutlicher Aussprache und wischte sich an diesem heißen Tag – 43 Grad Celsius!
    – mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Er wird nicht kommen.« Der Mann am Bahnhof in
    seiner verschwitzten galabiyya, der sich als Mohammed vorgestellt hatte, lächelte entschuldigendnachsichtig. Da Lucy und O’Hanrahan um diese Jahreszeit die einzigen verrückten ’kchawagahs aus dem Westen waren, hatte Mohammed ein mitleidiges Interesse an ihnen gefasst .
    »Können Sie herausfinden, wann der Zug kommen wird?« Mohammed läche lte unpassenderweise. »Das Tele fon geht nicht«, erklärte er. »Also wissen Sie eigentlich gar nichts?«
    »Am Samstagabend , guter Sir, wird ein Zug kommen. Wenn am Freitagmorgen kein Zug kommt, dann kommt immer ein Zug am Samstagabend . Oder am Sonntag.«
    O’Hanrahan dankte dem Mann und verließ angesichts der Lage

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