Der dreizehnte Apostel
ein He rumpfuscher , ein Reinfall. Aber ich werde mich zu meiner Höhe aufschwingen. Ich will diese Herausforderung annehmen!
(Jetzt hast du bekommen, was du willst.)
Ja, Herr, aber hast du gewusst , daß ich unsterblich und unzerstörbar war, solange ich von einem Land ins andere gefahren bin, hier noch ein Kloster, da noch ein Kloster! Denn siehst du, Heiliger Geist, ich wusste , daß es mein Schicksal war, es zu übersetzen. Daher bin ich am Leben geblieben, solange dieses Evangelium mir immer wieder durch die Finger geschlüpft ist. Und jetzt habe ich eine neue Sorge: Werde ich lange genug am Leben bleiben, um diese Übersetzung zu Ende zu bringen?
(Das hängt von dir ab.)
O’Hanrahan starrte auf das TPL-Flugzeug und die Kamerateams, die herumrannten und Aufnahmen machten, zuerst Farley jr. der eine Milchflasche hochhielt, dann seine Mutter Lila Mae, die versuchte, einen Stichwortzettel zu lesen. Sie verlor die Selbstbeherrschung und begann zu weinen, so daß dick die Wimperntusche floss .
»Um Himmels willen«, sagte Reverend Bullins ungeduldig mit einem falschen Lächeln, »Lila, lies vor, was auf der gottverdammten Karte steht, damit wir die Szene in den Kasten kriegen.«
Eine Maskenbildnerin in blauem TPL-Trainingsanzug rannte herbei, um den Schaden zu reparieren.
»Wenn ich an all diese hungrigen Menschen in Äthiopien denke«, schluchzte Lila Mae, »dann muss ich einfach heulen, Farley, mir die Augen ausweinen. Aber es gibt noch einen schlimmeren Hunger. Die Menschen, die Jesus nicht kennen, Jesus Christus …« Sie schloss die Augen, während neuerlich schwarze Wimperntusche über ihr geschminktes Gesicht lief.
Reverend Bullins schnaubte missbilligend und sah O’Hanrahan mit einem Blick männlicher Komplizenschaft an: Weiber – was konnte man schon mit ihnen anfangen? »Alles in Ordnung, Honey«, gab er nach. »Vergessen wir’s. Wir drehen das Ding in Philadelphia …«
»Aber ich habe Zeugnis abgelegt, Farley«, antwortete sie, wischte sich über die Augen und ließ sich von ihrem Gatten umarmen. »Ich mache einfach nichts richtig«, sagte sie und ging einen Schritt auf die Gangway zu.
»Aber Honey. Du bist nur ein bisschen müde, das ist alles.«
Der belustigte O’Hanrahan stieg als letzter ins Flugzeug. Zwei äthiopische Flugzeugmechaniker – die Väter der beiden Propagandakinder für das TPL Video, vermutete O’Hanrahan – standen an der Gangway, bereit, sie wegzurollen, sobald er an Bord war. Colonel Westin und Agent Thorn standen neben der Limousine und winkten zum Abschied.
(Eine Möglichkeit zur Flucht.)
Nicht mehr. Schluss mit dem Herumgerenne. Armes Äthiopien, dachte O’Hanrahan und sah sich um nach der Innenstadt von Addis Abeba, dem afrikanischen Utopia, das zu einer Hölle geworden war. Ich werde dich in meine Gebete einschließen, Äthiopien.
(Wir würden gerne ein paar von diesen Gebeten hören, Patrick.)
Aber O’Hanrahan würde nicht beten. Nicht jetzt, kurz bevor er die wahren Antworten herausfinden würde. Wenn er wusste , was Matthias ihm zu sagen hatte, würde er vielleicht beten – aber nicht vorher!
SECHS
1.
Doch mein Schreiber Tesmegan brennt darauf, endlich selbst zur Sprache zu kommen in dieser wichtigen Geschichte. Gehen wir also an diesem letzten Tag der Niederschrift gleich nach Meroë, in das geheimnisvolle, schöne, gastliche Reich, wo man jedoch auf manche Überraschung gefasst sein muss … (Ach, hier runzelt Tesmegan die Stirn, denn er fürchtet, daß ich nun doch etwas auszusetzen haben werde an ihm und an seinem Volk. Aber, lasse es dir gesagt sein, mein Junge: Ich werde schreiben, was ich will, ich meine, du wirst schreiben, was ich will, verstehst du? Also weiter im Text.)
2.
Auf Elephantine, auf der von heidnischen Tempeln strotzenden Felseninsel im Nil gerade unterhalb der Katarakte, gesellte ich mich mit einigem Unbehagen zu denen, die sich dort für Söhne Abrahams ausgeben. Ich für meine Person habe an dieser vorgeblichen Abstammung erhebliche Zweifel. Bei einer Familie, in deren Hause ich zu Gast war, frohlockte man fromm ob der Zerstörung Jerusalems, welche, wie man in Elephantine allgemein annimmt, nur die gerechte Bestrafung des Hochmuts der Heiligen Stadt sei.
Ohne Mühe fand ich den Händler, für welchen mir Duldul ibn-Waswasah Briefe mitgegeben hatte. Ich erkannte auf den ersten Blick, daß dieser ein meinem alten Bekannten in jeder Hinsicht gewachsener Geschäftsfreund war, ebenso gerissen und hinterhältig
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