Der dreizehnte Apostel
wie jener. Doch ist das ja kein Wunder. Gibt es denn einen einzigen Araber, der nicht verschlagen und heimtückisch ist?
3.
Nachdem ich mich der gegen Duldul ibn-Waswasah eingegangenen Verpflichtung entledigt hatte, erkundigte ich mich nach dem Verbleib der angeblich von dem Jünger Matthäus während seiner Reisen in dieser Weltgegend gegründeten nazaräischen Gemeinde.1
Jene Nazaräer, erfuhr ich, waren teils gestorben, teils fortgezogen, teils aber auch zu dem vor Zeiten auf jener Insel voller Götzen eingebürgerten und noch immer daselbst praktizierten verdorbenen und halb heidnischen Judentum ihrer Ahnen zurückgekehrt. Wieder war ich um eine Hoffnung ärmer!
Nur Gott selbst kann, scheint es, eine neue Kirche gründen, und da ich nun eine Gemeinde nach der anderen untergehen oder in Häresie hatte verfallen sehen, wurde mir klar, daß nur direktes Eingreifen des Höchsten den weiteren Bestand der nazaräischen Kirche auch nur für die nächsten zwanzig Jahre sichern konnte.
4.
Der Marktvorsteher hörte sich meine Geschichte von dem Sklaven Benjamin und dessen so verdächtiger plötzlicher Bereicherung mitfühlend an. Er war ein freundlicher Mann und angesichts der Menge der Götter, die er im Laufe der Jahre schon stromauf-oder -abwärts hatte vorüberfahren sehen, der Meinung, jeder müsse selber wissen, welchem er nachfolgen wolle, und also geneigt, jeden nach seiner Fasson selig werden zu lassen.
Er sagte zu mir: »Dieser Matthäus hat aus verschiedenen Gründen viele brave Leute von der Insel verbannt. Aber schließlich erlahmte sein Wille, die Häretiker, wie er sie nannte, fernerhin zu bekämpfen, und er selbst zog fort, ich weiß nicht, wohin. Doch nicht ehe er die Person, die du suchst, nach Kusch2 verbannte, jedenfalls glaube ich, daß dieser Mann der ist, hinter dem du her bist. Du sagtest doch, er sei reich, nicht wahr?« Ich wiederholte, was mir über diesen Benjamin zu Ohren gekommen war, und der Marktvorsteher nickte dazu und sagte dann, gewiss mein ten wir den nämlichen, nur daß der Name des Mannes nicht Benjamin, sondern Belsazar sei, der des berühmten Königs. (Tatsächlich war es zu Josephs Zeiten üblich, Sklaven die Namen früherer Könige Israels zu geben, zur eigenen ständigen Erinnerung an die Wandelbarkeit des Glücks; es schien mir also sehr wohl möglich, daß in der Tat dieser Belsazar der Mann war, den ich suchte!)
Über den Verbleib dieses Belsazar konnte mir der Markt vorsteher allerdings nur sagen, daß er nilaufwärts fortgezogen sei. Beim Abschied sagte der freundliche Mann zu mir: »Sieh nur zu, mein jüdischer Freund, daß du dich von deinem Forschungseifer nicht bis nach Meroë führen lässt . Denn daher kehren nicht mal die Römer zurück!«3 Und so sei es dir, lieber Bruder, ein Beweis meines Muts, daß ich eben daher schreibe!
5.
(Oh, von neuem habe ich meinen Schreiber verletzt. Denn in Meroë gilt es als Ungeheuerlichkeit, eine schlechte Meinung von einer Person oder einem Ort zu Papier zu bringen, die dann nach Meinung dieser Leute auf eigene Faust weiter um sich greifen kann. Tesmegan, du dummer Junge, ich muss die Dinge festhalten, wie sie sind …Ja, ich erwarte, daß du jedes Wort niederschreibst, das ich sagte. Ja, auch daß ich dich einen dummen Jungen genannt habe, sollst du schreiben. Wie wenig Zeit bleibt uns noch!)
6.
Ich muss gestehen, daß ich mich für kurze Zeit wieder von den Träumen meiner Jugend verführen ließ, Bruderherz. Während unserer Nachtlager in der Wüste lag ich schlaflos, den Blick zu den Sternen erhoben, und malte mir aus, wie ich am Hofe von Meroë erscheinen, Wunder vollbringen wie einst Moses vor Pharao, und, wo Matthäus gescheitert war, ein Königreich bekehren würde. Und daß schließlich mein Evangelium allein eines anderen Menschen Herz rühren und die Welt sich eine ganze Kleinigkeit zum Besseren wenden würde – und daß meine Worte und mein Glauben diese Neigung zum Besseren bewirken würden. Im Rückblick ist mir freilich beschämend klar, daß im Mittelpunkt dieser Träume immer nur ich selbst stand. Wer aber anderen Gott bringen will, muss Gott über alles stellen. Wie offensichtlich mir das jetzt zu sein scheint!
7.
O wie wunderbar waren diese Städte Nubiens! (Wenn mir noch ein weiteres Leben vergönnt wäre, würde ich eine Nubiade dichten!)
In Sarras sah ich den erstaunlichsten Sklavenmarkt, den ich je gesehen habe. Da gab es Männer aller erdenklichen Gestalten, Farben und
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