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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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in Meroë sein eigen nennen könne, wohl lieber gleich das Leben ließe, wenn er wüsste , was nicht von vornherein todeswürdigen Geheimnisträgern ohne Eigenheim in Meroë blüht: Schreckliches werde jedenfalls von den Zuständen im Geheimnispalast erzählt, in dem solche Leute interniert würden.
    An dieser Stelle unterbrach die Kandake sein Geflüster und sagte laut und vernehmlich: »Was in Meroë gesagt wird, muss in aller Öffentlichkeit und für jeden hörbar gesagt werden.«
    Ich kann nicht umhin, die Weisheit dieses Grundsatzes zu rühmen. Denn es zeigt doch sogar deine eigene anspruchslose historische Komposition, lieber Bruder Josephus, daß all das Unglück unseres Vaterlandes aus geheimen Verschwörungen und hinterhältigen Anstalten erwachsen ist. Ich sagte also zu der Kandake: »Ach, schönste Königin, so höre ich denn aus dem wissenden und weisen Munde wohllautende und wuchtige Worte, denen ich wohl entnehmen muss , daß ich nie erfahren soll, ob dieser Benjamin oder Belsazar mit seiner verleumderischen Geschichte jemals hier aufgetaucht ist. Schade. Ich habe mich also umsonst hierher bemüht.«
     
    24.
    Darauf erwiderte sie: »Aber durchaus nicht. Ich hoffe, dich oft bei Hofe zu sehen, wo wir unseren Spaß mit Neuankömmlingen treiben; mit dir haben wir doch noch kaum angefangen! Und dir soll auch die Ehre zuteil wer den , unsere Bibliothek um eine kurzgefasste Darlegung deiner religiösen Lehre zu bereichern. Diese werden sodann unsere Minister sorgfältig und wiederholt prüfen, bis sie auch an deinem nazaräischen Gott irgendetwas Bewunderungswürdiges entdecken.« Dann wurde mir bedeutet, daß die Audienz beendet sei, doch etwas hatte sie mir noch zu sagen, mit einer gewissen Heimlichkeit, denn da sie nun von ihrem Thron herabstieg, während ihr Gefolge die Kissen und Polster in Verwahrung nahm, mit denen zur Steigerung ihrer Erscheinungsfülle ihr Gewand ausgestopft gewesen, trat sie leichtfüßig an mich heran und sagte: »Und dann, wenn wir uns erst besser kennengelernt haben und ich weiß, daß du kein römischer Spion bist, werden sich schon Mittel und Wege für dich finden, die Stadt zu verlassen. Eine kleine Spende, wirst du sehen, wirkt hier Wunder. Wir Meröiter sind schließlich keine Unmenschen.«
     
    25.
    Dann führte man mich in einen Festsaal, wo wir auf den Gräbern der besten Familien der Stadt tafelten, da es hier als unschicklich gilt, die Abgeschiedenen von den Lustbarkeiten der Lebendigen auszuschließen. Alle Speisen waren für meinen Geschmack zu scharf gewürzt, aber scharf gewürzte Speisen gelten hier als vornehm, denn die Vornehmen dieses Landes, wo man sich hüten muss zu sagen, was nicht jeder hören darf, wollen sich offenbar wenigstens beim Essen jedesmal gehörig das Maul verbrennen. Nach dem Essen, das für mich an dergleichen Kost nicht Gewöhnten kein ungetrübter Genuss war, führte man mich in ein geräumiges u nd behaglich eingerichtetes Gä stehaus, und dort hatte ich das allerdings reine Vergnügen – ja, er selbst ist bei der Erinnerung so bewegt, daß er vor Rührung kaum weiterschreiben kann –, die Bekanntschaft meines lieben jungen Tesmegan zu machen, meines Schreibers.
    26. Und hier habe ich ihn meine Geschichte niederschreiben lassen. Natürlich wurde mein Missionseifer erheblich abgekühlt durch die Erkenntnis, daß den Meroïtern die Notwendigkeit, nur einen einzigen Gott zu verehren, niemals plausibel zu machen sei: daß ich ihnen also bestenfalls ein neues Fest würde schmackhaft machen können. Denn zum Gottesdienst verstehen sich diese Leute leider nur, insofern derselbe irgendwie unterhaltend den Lauf der Zeit auflockert.
    Ach, lieber Tesmegan. Wäre ich doch mit seiner alleinigen Gesellschaft zufrieden gewesen, doch leider verspürte ich das Bedürfnis, mich in der Stadt unter deren Bewohnern herumzutreiben und Erkundigungen über diesen wundervollen Ort einzuziehen. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, ein Buch über dieses noch von niemandem besuchte Meroë zu schreiben.18 Und so verbrachte ich viele Wochen in Unterhaltungen mit Eingeborenen und mit dem Studium der in der hiesigen Staatsbibliothek vorhandenen Werke, soweit diese in griechischer Sprache abgefasst waren. (Die meröitische Literatur ist mir leider ein Buch mit sieben Siegeln geblieben; zumal auch die Zeichen, mit denen sie geschrieben wird, das Verständnis nicht gerade einladen. Und niemand war willens, mir diese verdammte Geheimschrift zu erklären.) Es dauerte

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