Der dreizehnte Apostel
Staatsrat oder Senat oder Sanhedrin, die Herrschaft der Kandake während ihrer Amtszeit ist also unbeschränkt. Ich fragte meinen jungen Schreiber, weshalb man keine Körperschaft mit beratender Punktion zur Unterstützung – und auch zu einer gewissen Kontrolle – der Königin vorgesehen habe, worauf er mir erwiderte, ein derartiger Senat würde sich doch nur dauernd nutzlos herumstreiten und wäre außerdem unvermeidlich der Bestechung zugänglich. Es sei besser, die Königin unbeschränkt regieren zu lassen, aber höchstens fünf Jahre, ob sie ihre Sache nun gut oder schlecht mache. Es gibt eine Armee, doch nur zur Verteidigung des Staats gegen äußere und innere Feinde, unter welche letztere auch Leute gerechnet werden, die das höchste Staatsamt zu usurpieren trachten.
13.
Nicht weniger merkwürdig als die Regierungsform dieses ungewöhnlichen Reichs ist die gänzliche Abwesenheit jedweder religiösen Orthodoxie. Natürlich findet man in Alexandrien oder Ephesos Anhänger aller erdenklichen Glaubensgemeinschaften, die da nebeneinander ihre unterschiedlichen Götter verehren. Aber noch nirgends ist mir ein Volk begegnet, das sich so wie dieses hier die eigene Religion nach Lust und Laune zusammenstückelt aus allen Religionen, von denen es Kenntnis hat. Alle sieben Tage wird irgendeines Gottes Fest begangen – mal das der Isis, dann das der Aphrodite oder des Zeus …So gibt es an jedem Sabbat Tänze, Zeremonien, Gelage und auch schlechterdings nicht anders als unzüchtig zu bezeichnendes Verhalten, obwohl bei näherem Zusehen selbst dieses Verhalten einer mir allerdings unverständlichen Ordnung zu folgen scheint.
14.
Nachdem ich gespeist worden war und ein blasser germanischer Sklave mich in ein privates Bad geführt hatte11 – man lässt diese Sklaven nicht ins Freie, damit sie ihre Blässe bewahren, die hier als sehenswürdig gilt –, bedeutete man mir, daß ich noch immer ungehindert aus Meroë abreisen könnte, wenn mir der Sinn danach stehe – daß man mich aber, wenn ich bliebe und bei Hof zugelassen würde, so leicht nicht wieder werde fortziehen lassen. Tatsächlich gibt es über dem Stadttor eine Inschrift in der unentzifferbaren Schriftsprache dieser Leute (von denen jedoch die meisten auch Griechisch sprechen), die, wie mir freundlicherweise der Torwärter erklärte, ungefähr besagt: »Kein Schaden hat je die Stadt befallen, die alle Gäste willkommen heißt; nur Elend wird über die Stadt kommen, die einen undankbaren Gast abreisen lässt .«
Damals war ich überzeugt, daß mir nichtsdestoweniger eine kleine Zuwendung an den richtigen Mann, falls ich etwa aus der Stadt würde fliehen müssen, Tür und Tor öffnen werde. Doch ich sollte entdecken, daß die Meroïten alle Bestechungsgelder an die Kandake weiterleiten und die Entscheidung über das Anliegen des Zahlungswilligen ihr anheimstellen. Und wirklich kann ich nach dem, was ich getan habe, kaum hoffen, daß man mich abreisen lässt .
15.
Doch jetzt will ich vom Hof sprechen und von der Kandake. Man hatte mir zu verstehen gegeben, daß es in Meroë üblich sei, der Königin bei jeder Anrede einen anderen Ehrentitel zu geben. Es gibt Wettbewerbe, die oft bis spät in die Nacht hinein dauern, um den Ruhm der vollkommensten Ruhmredigkeit. Wie du dir denken können wirst, glaubte ich als Dichter meines Ranges solcher Übungen nicht zu bedürfen, um bei Bedarf auf Anhieb das Erforderliche zu leisten.
Die Kandake Schanakdekhete VII.12 war ein ungeheuerliches Geschöpf, dessen Ausmaße noch furchteinflößender schienen, als sie zweifellos waren, weil es ein Gewand trug, das den Thron, auf dem diese Königin saß, sowie mehrere Stufen desselben bedeckte. Ich hätte die Existenz eines derartig fetten Weibes für unmöglich gehalten und glaube noch immer, obwohl Tesmegan sich zu der Frage nicht äußern will, daß unter diesem weiten Gewand ihre titanische Erscheinung noch mit Polstern und Kissen ausgestopft ist. Nicht zu knapp war sie auch mit Juwelen und allerlei kostbarem Schmuck ausstaffiert, wenn mir auch schien, daß wenigstens die durch ihre ungeheure Größe auffälligsten Edelsteine wohl aus Glas imitiert sein müßten.13 Nichts an ihrem Gebaren ließ auch nur die mindeste Bosheit erkennen. Vielmehr kam ihr ganzer Hof mir irgendwie – und ich werde reden, wie mir zumute ist, deines Schniefens und Gewinsels ungeachtet, Tesmegan – lächerlich vor.
16.
Als ich vor ihrem Thron anlangte, sah ich, daß in ihren
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