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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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natürlich nicht lange, ehe ich das Haus eines reichen Mannes entdeckte, vor dem eine Schildwache stand, weil, wie ich hörte, der fragliche reiche Mann, ein Judäer, wegen des Besitzes eines offiziell anerkannten gefährlichen Geheimnisses unter Hausarrest gestellt worden war. Selbstverständlich konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, mich nach dem Mann zu erkundigen, wer er sei und was es mit seinem Geheimnis auf sich habe. Viel war diesbezüglich aus den Meroïtern nicht herauszukriegen. Immerhin erfuhr ich, daß solche Häftlinge einmal monatlich bei Vollmond Besuch empfangen durften. Allerdings machte mich der Türhüter, dem ich diese Information entlockte, darauf aufmerksam, daß der Mann, dessen Haus er bewachte (nicht einmal dessen Namen wollte er mir nennen), schon seit vielen Jahren keinen Besuch mehr empfangen habe.
     
    27.
    Meiner Pflicht als Historiker gehorsam – aber nein, das ist nicht wahr, mein Bruder, was mich trieb, war weder das Pflichtgefühl noch auch der Ehrgeiz des Historikers, sondern die Sorge um meinen Glauben, die Hoffnung, einen letztgültigen Beweis zu finden, denn meine eigene Kraft, zu glauben und zu beten, war ganz erschöpft –, von der Sorge um meinen Glauben getrieben also, konnte ich kaum den nächsten Vollmond erwarten und nahm dann gleich morgens die Gelegenheit wahr, den geheimnisvollen Gefangenen zu besuchen. Der Wächter klopfte laut an die verriegelte Tür. Da sich drinnen auf dieses erste Klopfen nichts regte, klopfte er nach einer Weile von neuem. Ich fürchtete schon, der Gefangene könne plötzlich verstorben sein, als ich ihn rufen hörte: »Stell das Essen hinter die Tür, ich hole es mir später.«
    »Du hast Besuch«, rief der Wächter.
    Einige Zeit verging, während der Bewohner des Hauses sich zum Empfang des unverhofften Besuchs ankleidete. Als er sich endlich am Fenster zeigte, erblickte ich einen Mann Mitte Sechzig mit noch dunklem Haar und großen, traurigen Augen. Er hatte sich sorgfältig gekleidet, aber seine Erschöpfung und Traurigkeit konnte er nicht bemänteln. Es war seltsam, hier unten im tiefsten Nubien einen Landsmann zu treffen, der Aramäisch sprach. (Keine Angst, Tesmegan, ich werde übersetzen, was wir sagten.)
     
    28.
    Er sagte zu mir: »Ich habe schon gar nicht mehr geglaubt, daß ich noch mal Besuch kriegen würde.« »Bist du Benjamin?« fragte ich. »Der frühere Sklave des Joseph von Arimathia?«
    Er war sehr misstrauisch . »Sehe ich vielleicht wie ein Sklave aus?«
    Ich sagte zu ihm: »Ich meine natürlich, ob du ein Freigelassener, ein ehemaliger Sklave dieses Joseph bist?«
    »Sehe ich vielleicht wie ein Freigelassener aus, hier hinter Schloss und Riegel?«
    Ich erklärte Benjamin, daß ich seine Hilfe zu schätzen wisse. Ich sei nicht nur ein berühmter Dichter, sondern überdies ein nicht weniger namhafter Historiker, ganz abgesehen davon, daß ich auch einer der Jünger des Geliebten Lehrers sei.
    Doch er wollte nur eines wissen, und das fragte er mich: »Bist du reich?«
    Ich sagte zu ihm: »Ich bin der Sohn eines adligen Geschlechts und habe früher großen Reichtum besessen.«
    Er fragte: »Bist du reich genug, mich hier herauszuholen?«
    Ich sagte ihm: »Soweit ich weiß, ist das unmöglich.«
    Er sagte zu mir: »Aber doch. Beim Regierungswechsel. Der nächste sollte in sechs Monaten stattfinden. Die neue Kandake wird mit sich reden lassen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wütend mich dieses blöde Land macht.«
     
    29.
    Ich beschloss , diesen Schurken zu übertölpeln, indem ich ihm Hoffnung machte, daß er das nötige Geld von mir kriegen könne – unter Umständen. Ich sagte zu ihm: »Ich könnte sehr wohl imstande sein, die nötige Summe aufzubringen – falls sie nicht zu hoch ist –, wenn du gewillt bist, ehrlich mit mir zu reden. Ein einstiger Sklave Josephs von Arimathia soll von diesem freigelassen und großzügig mit Geldmitteln bedacht worden sein und sich dafür verpflichtet haben, nilaufwärts aus der zivilisierten Welt zu verschwinden und ein Geheimnis in betreff des Todes des Meisters, des Lehrers der Rechtschaffenheit, mitzunehmen.«
    Er unterbrach mich und sagte: »Du meinst den Nasiräer?«
    Ich sagte zu ihm, und das Herz klopfte mir bis zum Hal-se: »Ja, der gekreuzigt und begraben ward.«
    Er sagte zu mir: »Und der angeblich aus dem Grabe auferstanden ist.« Ich erklärte ihm: »Ja, nämlich aus Josephs eigenem Erbbegräbnis. Es heißt, daß ein Sklave bezahlt wurde, die Leiche beiseite und

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