Der dreizehnte Apostel
Geschichte wahr sein müssen …« Nein, Farley und sein Daddy wussten , daß die Bibel unfehlbar war, jedes kleinste Wörtchen.
»Glaubst du, daß dein Vater in vielen seiner Predigten vom Heiligen Geist geleitet wird?«
»Ich weiß es.«
»Macht ihn das unfehlbar?« Sie beschloss , an seine Gegnerschaft zum Papsttum zu appellieren: »Macht das den Papst oder irgendeinen Priester unfehlbar?«
Er überlegte. »Nein.«
»Warum sollten dann die Verfasser der Bibel unfehlbar gewesen sein? Das ist genau dasselbe. Sie waren erleuchtet, aber sie waren immer noch menschlich.«
Farley beharrte darauf, daß die unfehlbare Bibel etwas anderes sei. »Und die Menschen, die sie zusammengestellt und ausgesucht haben, welche Bücher mit aufgenommen werden und welche nicht, im
4. Jahrhundert – waren sie auch unfehlbar?«
»Nein, aber …«
»Glaubst du, die Bibel ist einfach vom Himmel gefallen, druckfertig gesetzt von Gott? Im geläufigen Englisch des 20. Jahrhunderts?«
»Ich weiß nur, daß die Gottesversammlungen der Pfingstgemeinde, die TBN-Fernsehfamilie und die Baptistenkonferenz der Südstaaten die Bibel alle für unfehlbar halten.«
»Oh, und damit ist der Fall erledigt? Ich könnte viele widersprüchliche Passagen aus der Bibel zitieren, Farley – manche sind das direkte Gegenteil von anderen Passagen.«
»Jedes Evangelium korrigiert in gewissem Maße das ihm vorhergehende.«
»Du sagst also, daß es in den Schriften menschliche Irrtümer gibt.«
Er schwieg einen Augenblick. »Nur Unterschiede in kleinen Details, das ist alles. Nichts Bedeutendes.«
»Nichts Bedeutendes?« wiederholte Lucy. »Laut Apostelgeschichte besteht Jesus, der Erlöser, darauf, daß die Jünger in Jerusalem bleiben und auf Pfingsten warten, und im Lukas-und Johannesevangelium steht, daß Jesus Jerusalem nie verlassen hat.«
»Richtig.«
»Aber laut Matthäusevangelium trifft Jesus mit allen möglichen Leuten in Galiläa zusammen. ›Nichts Bedeutendes‹, Farley? Nur die Details der Auferstehung. Ich habe eine Frage an dich: Erinnerst du dich an Jesus im Garten von Gethsemane? All seine Jünger sind dort eingeschlafen.«
»Genau«, nickte Farley, der sich wieder auf sichererem Grund fühlte. »Wer hat dann Jesu Gebet im Gar ten mitgehört? Wer hat seine Worte niedergeschrieben, wenn jedermann eingeschlafen war?«
»Ich nehme an … ich nehme an, ein Engel muss Matthäus oder Lukas erschienen sein und ihnen alles gesagt haben.«
»Derselbe Engel, der die Details der Auferstehung durcheinandergebracht hat?« Lucy lächelte amüsiert. »Also ist nichts in der Bibel metaphorisch, fiktiv und rein symbolisch? Du glaubst nicht, daß Adam und Eva in gewisser Weise ein poetisches Symbol sind, eine Sage über die Beziehung des Menschen zu Gott in einer nicht-paradiesischen Welt?«
»Nein, Ma’am, sie haben historisch existiert.«
»Jesus wird das Lamm Gottes genannt. Glaubst du, das bedeutet, daß Jesus als Mensch auf die Erde gekommen ist oder als vierbeiniges Lamm?«
Farley lachte. »Das ist eindeutig ein Symbol.«
»Was du für symbolisch hältst, ist also symbolisch, und was ihr, du und die Baptistenkonferenz der Südstaaten, nicht für symbolisch haltet, das ist auch nicht symbolisch. Meine Güte, wie hat das Christentum bloß zweitausend Jahre lang gedeihen können, ohne daß ihr uns alles perfekt und unfehlbar erklärt habt?«
Farley lachte und schüttelte den Kopf. »Du bist mir eine, Lucy. Ich werde meinen Daddy auf dich ansetzen müssen.«
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Eine junge Studentin – Anfang zwanzig, blond, ein bisschen stark geschminkt, in einem modischen rosa Sommerkleid – empfing O’Hanrahan an der Tür zum Auditorium. Sie hieß Jessica und war ein entzückendes kleines Ding, stets zum Lächeln und Lachen bereit und sprach mit einem charmanten Südstaatenak zent . Man hatte Jessica nach unten gesandt, um O’Hanrahan durch die zahllosen Büros und Studios zu Reverend Bullins’ Büro in der Mitte des kronen förmigen Komplexes zu führen. »Ist es Ihnen heiß genug, Professor?« zirpte sie.
»Teufel, im Sudan war es nicht so schlimm«, erwiderte er, auf Grund der hohen Luftfeuchtigkeit schweißgebadet. Die Klimaanlage im Hauptgebäude des Promised Land machte ihn schwindelig.
»Dr. O’Hanrahan«, rief Bullins, als Jessica den Professor in Bullins’ palastartiges Büro führte. Eine Wand mit Büchern – die wahrscheinlich nie aufgeschlagen wurden –, drei Fernseher nebeneinander und ein hypermodernes Videogerät
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