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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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breitete die Papyrusrolle in ihrer durchsichtigen Plasti khülle aus, ohne sie dem Sauer stoff auszusetzen. Er arbeitete mit den vielen Notizzetteln, die Lucy mit den Transkriptionen der meroïtischen Schrift gefüllt hatte. Seite um Seite voller Buchstaben ohne Bedeutung, unentzifferbar. Er starrte wieder auf die erste Zeile:
     
    Hoffnungslos! Zettel um Zettel voll von diesem Zeug. Vielleicht sollte er das alles in einen Computer eingeben, um vielleicht einen der 800 bekannten meroïtischen Namen zu identifizieren, in der Hoffnung, daß in dem Evangelium durch Zufall vielleicht ein Pharao oder ein Eigenname erwähnt war.
    »Ach du meine Güte«, sagte Jessica, die ihm pflichteifrig eine Tasse Kaffee brachte. »Ich kann mir darunter gar nichts vorstellen. Was für eine Sprache ist das, Professor?«
    Eher ratlos zuckte er die Achseln. »Keine Ahnung, Honey.«
    »Wie sagt die Bibel? Mir ist es griechisch«, lachte sie. O’Hanrahan verdrehte die Augen und sah ihr wie Reverend Bullins nach, als sie mit wiegendem Gang das Zimmer verließ. Tom, der Sicherheitsbeamte, wandte ebenfalls den Blick nach ihr, als sie den Flur hinunterging. Mir ist es griechisch stammt von Shakespeare, Honey. O’Hanrahan war wieder allein mit der Schriftrolle. Nur noch wir beide sind jetzt da, dachte er. Gott, ich wünschte, du wärest auf Griechisch ! Wenn du auf Griechisch geschrieben wärest, Mr. Matthias, würde ich dich innerhalb dieser Woche noch lesen können. So wie Rabbi Rosen, der diese Schriftrolle nach einer Woche lesen konnte. Warte! Vielleicht ist sie ja auf Griechisch geschrieben. Vielleicht konnte Rabbi Rosen sie deshalb so schnell lesen. Vielleicht hatte er erkannt, daß diese Schriftrolle nichts mit dem Meroïtischen zu tun hatte, daß die Schrift nur ein Code war – für griechische Buchstaben … Aber nein, nein, beruhigte sich O’Hanrahan und hielt sich am Tisch fest. Das kann nicht sein. Das Griechische hat 24 Buchstaben, das Meroïtische nur 23 … Warte! O’Hanrahan spürte, wie ihm schwindelig wurde, wie seine Finger zu prickeln begannen, als würde eine berauschende Droge durch seinen Körper geschwemmt werden. O Gott, das ist es, nicht wahr? Der Doppelpunkt dient nicht als Trennung zwischen den Wörtern: er gehört ebenfalls zu dem Code. Er ist ein Buchstabe! Ein griechischer Buchstabe! Dieses verdammte Ding ist griechisch geschrieben! Lachend stand er auf. Seine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Sah ihm jemand zu? Gab es hier versteckte Kameras? Konnte irgendjemand , der ihn beobachtete, ihm diese Offenbarung stehlen? Triumphierend gestattete er sich einen tiefen, erholsamen Atemzug. Was für Genies waren die Menschen gewesen, die dieses Evangelium transkribiert hatten, welche Meister der Täuschung! Sie haben das Matthäusevangelium in der Schrift einer verlorenen Sprache codiert – selbst im 1. Jahrhundert schon verloren und rätselhaft! Sie wussten es! Sie kannten jede Falle, in die alle nach ihnen tappen würden! Sie wussten , daß jeder Sprachkundige, der sich mit diesem Ding befasste , versuchen würde, die Rätsel des Meroïtischen zu lösen – zweitausend Jahre lang haben sie die Gelehrten in diese Sackgasse geschickt! Diese Genies! Diese Teufel!
    O’Hanrahan lächelte: Natürlich, die 23 meroïtischen Buchstaben und der Doppelpunkt ergaben 24 Zeichen, jeweils ein Zeichen für die 24 Buchstaben des Griechischen. Wie Eurydike, die mit ausgestreckten Händen zurückglitt ins Schattenreich, versanken das Reich von Meroë und seine unentzifferbare Sprache in der Dunkelheit; nie sollte sie von seiner Generation entziffert werden, nicht von O’Hanrahan. Der Nil würde sein Geheimnis bewahren.
    Eine Stunde Arbeit, Trial and Error, und er war ziemlich sicher, welcher Buchstabe das Sigma ersetzte, und nachdem er den Namen Josephus herausgefunden hatte, war der Code im Nu enträtselt. Der Doppelpunkt stand für das Ny. O’Hanrahan übersetzte die erste Zeile. Ich hatte meinen Glauben verloren, Josephus, stand da. Ein Apostel, der über den Verlust seines Glaubens schrieb? Angesichts der Bedeutung und Tragweite eines solchen Fundes begannen seine Hände erneut zu zittern. Er wollte diese neue Entdeckung mit niemandem teilen, nicht einmal mit Lucy oder dem Rabbi – zumindest noch nicht gleich. Mit dieser Information konnte jeder Narr das Evangelium entziffern und ihn, den Rabbi und Lucy überflüssig machen. Nein, das würde er zunächst für sich behalten.
    (Nicht einmal ein Dankeschön. Nicht einmal ein

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