Der dreizehnte Apostel
in einem ziemlich luxuriösen Haus«, erwiderte Lucy spitz. »Ja«, bestätigte Mrs. Bullins begeistert, »ante bellum
– aus der Zeit vor dem Krieg. Natürlich meinen wir hier im Süden den Sezessionskrieg, wenn wir vom Krieg sprechen, nicht den Zweiten Weltkrieg!« Mrs.
Bullins lachte. »1836. Hier hat es einmal über vier hundert Sklaven gegeben; die Pettigrews, denen das Haus ursprünglich gehörte, haben Zuckerrohr und Baumwolle angebaut – sehr harte Arbeit war das damals.« Nicht für die Pettigrews, dachte Lucy.
»Ich bin glücklich, daß Augustus Pettigrew ein Geistlicher war, der in Schottland das Priesterseminar absolvierte. Er war sehr einflussreich in seiner Zeit. Ich fühle«, flüsterte sie und musste gegen Tränen ankämpfen, »daß Gott seit langer Zeit in diesem Haus weilt, seit Pettigrew.«
»Aber er hat vierhundert Sklaven besessen«, wiederholte Lucy.
Mrs. Bullins goss Cola über die Eiswürfel in ein hohes Glas und nickte zustimmend. »Die Sklaverei war eine schlimme Sache, aber sie war der Weg, den unser Herr gewählt hat, um die Schwarzen Jesus Christus kennenlernen zu lassen.«
Sie brachte diese verrückte Ansicht so entschieden vor, daß Lucy nicht wusste , was sie darauf erwidern konnte.
»Den Schwarzen in diesem Land wird durch ihr besonderes Leiden eine eigene Offenbarung gegeben«, fuhr Mrs. Bullins fort. »Und durch Jesus Christus werden sie in diesem Land erhoben werden und ein Ende machen mit Drogen und Armut und allem, was der Satan ihnen auf ihren Pfad geworfen hat. Und Sie bedienen sich bitte aus dem Kühlschrank, wann immer Sie etwas möchten – alles ist reichlich da. Camilla sorgt dafür, nicht wahr, Honey?«
Lucy sah eine mütterliche schwarze Frau in einer Dienstmädchentracht, die gerade aus einer Speisekammer kam, eine Dose Langbohnen in der Hand: »Ganz richtig, Miz Lila.«
»Camilla macht heute Abend ihren ganz speziellen Cajun-Hackbraten. Es ist etwas gaaanz Besonderes, Sie und Dr. O’Hanrahan als unsere Gäste zu haben.«
»Nicht vergessen, Ihre Medizin zu nehmen, Miz Lila.«
Eifrig nahm Mrs. Bullins eine Tablettenschachtel vom Gewürzregal und schluckte gierig zwei Pillen, bemerkenswerterweise ohne Wasser. »Darf meine Tabletten nicht vergessen, Camilla, nein, nicht wahr?« Sie warf einen schuldbewussten Blick in Lucys Richtung. »Meine Medizin. Wissen Sie, die muss ich nehmen … meine Medizin.«
Farley kam zurück und führte Lucy in ein holzgetäfeltes Büro; ein großer Schreibtisch voller Broschüren und Briefe zum Unterzeichnen stand am Fenster, ein riesiger Videobildschirm an der Wand gegenüber.
»Ich will nicht angeben oder so, aber ich hab’ mir gedacht, daß du mich vielleicht mal in Aktion sehen willst«, stotterte er und wurde vor Verlegenheit rot. »Das ist, äh, von … 1985, mein erster Fernsehauftritt. Wenn du meine langen Haare und diesen grässlichen rosa Anzug siehst, wirst du’s glauben. Und diese Kassette hier ist von diesem Jahr. Ich spreche die Gebete für junge Leute bei der Erweckungsversamm lung im Frühling. Du kannst dir die Dinger anschauen, während ich mich duschen gehe. Ich kann es nicht ausstehen, mich selbst auf dem Bildschirm zu sehen, ich sehe immer so provinzlerisch aus!«
Lucy bekam einen Arm voller Videokassetten.
»Und das ist das Band von unserer Faschingsdiens tagsaktion , nach dem du gefragt hast. Das ist vor dieser Schwulenbar aufgenommen, und die Sprache wird – äh, ein bisschen deftig, aber du siehst, gegen welche Art von Sünde wir ankämpfen.«
Lucy blieb mit den Videokassetten in dem riesigen Büro zurück, vermutlich Reverend Bullins’ Hauptsitz. Sie legte als erste die Kassette vom Faschingsdienstag ein und sah einen jüngeren, blasseren Farley , der zwei Männer mit Panamahüten und guatemaltekischen Ponchos, die Plastikbecher mit irgendwelchen Drinks in der Hand hatten, aufhielt. Die Par ty ist dort, aber der Himmel ist in dieser Richtung, sagte er ihnen und deutete nach oben. Die Reaktion war wenig überraschend. Dann erfasste die Kamera einen Mann mit geschminkten Lippen und Frauenkleidung, der ebenso wie Lucy vergebens zu argumentieren versuchte. Ihr sagt, der Faschingsdienstag sei heidnisch, erklärte er, aber ihr erkennt nicht, daß Ostern und Weihnachten ebenso voller heidnischer Elemente sind. Wer ich bin? Ich bin Assistent an der Tulane-University, ich studiere Alte Geschichte und … Nein, ich werde nicht mit euch beten, ich gehe in diese Bar und … Und weiter ging die Debatte; an
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