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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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den jungen Leuten der Pfingstge meinde prallte jede Kritik ab. Nach diesem Wortwechsel blickte Farley traurig in die Kamera und seufzte: Satan, du hast wieder einen für dich gewonnen, aber Teufel, wir kriegen dich schon! Wir werden dich kriegen und mit einem Fußtritt zurück in die Hölle befördern!
    Lucy, die bald gelangweilt war, ließ das Video laufen und spazierte im Büro herum. Hier war das Foto von 1980, Ron und Nancy, die mit wohlwollendem Blick neben Lila und einem etwas schlankeren Reverend Bullins standen. Beide Damen dehnten ihre gelifteten Gesichter beim Lächeln bis zur Zerreißgrenze … Ein Foto von Gavin McLeod, dem Typen aus »The Love Boat«, der sich zum Werbetrommler für die Wiedergeborenen gewandelt hatte. Daneben ein Countrysänger, dessen Name Lucy bekannt vorkam.
    Lucy musterte die Bullins-Broschüren auf dem Regal. Richtige Bücher hatte er nicht geschrieben, aber eine Reihe von Videokassetten stand auf dem Regal, als wären es Bücher. Auf jeder Kassette prangte ein Foto von Bullins mit tief auf die Nase gerutschter Brille, gelehrt und gebieterisch aussehend. Lucy fragte sich, ob Bullins jemals von Augustinus gehört, je ein Wort von Luther oder Calvin, von der heiligen Teresa von Avila oder von Katharina von Siena oder sonst ältere Kirchenschriften gelesen hatte. Sie entdeckte Jimmy Swaggarts Ehrliche Antworten auf schwierige Fragen und zog es aus dem Regal.
    (Oh, bitte nicht.)
    Lucy, Luke, Gabriel und Christopher hatten an langweiligen Sonntagabenden oft vor dem Fernseher gesessen und über diesen Mann gespottet, der auf jede Konfession eindrosch, Juden und Katholiken in die Hölle warf, Schwule, Feministinnen und Intellektuelle fertigmachte und Loblieder auf Reagan sang, diesen ehemaligen Hollywood-Schauspieler, der nicht zur Kirche ging, der geschieden und seiner Familie entfremdet war, diesen Präsidenten mit dem rassistischen Kabinett und der Westküstenmoral, der jeden Wiedergeborenen in Amerika von seiner tiefen Heiligkeit überzeugt hatte.
    Ist Aerobic Sünde? »Aerobic nach dem Rhythmus der gleichnamigen Musik zu tanzen bedeutet für Christen, sich der Verderbtheit der Welt auszusetzen.« Was ist von Schwimmbädern zu halten, die für Männer und Frauen gemeinsam sind? Swaggart ist dagegen. Kino? »Einem Christenmenschen steht es nicht an, sich mit weltlichen Unterhaltungen wie Kinofilmen einzulassen.« Ein besonders guter Witz: Ist oraler Sex nach der Heiligen Schrift zwischen Ehegatten erlaubt? Natürlich nicht. Homosexualität? Laut Swaggart sind Homosexuelle nicht so geboren, sondern vom Satan besessen … »Diese Individuen wären gerne in Positionen, wo sie junge Leute des eigenen Geschlechts in ihr Leben der Verderbtheit und des Schmutzes mit hineinziehen könnten.« Evolution? »Ich denke, es ist klar, daß kein Anhänger der Entwicklungslehre ein Christ oder ein Bibelgläubiger sein kann.« Lucy gönnte sich das Vergnügen, das Buch durchzublättern. Feuerbestattung war Sünde, aber die Todesstrafe natürlich nicht. Und was die Frauen betrifft: »Jeder christliche Gatte soll von seiner Frau verehrt werden, und sie soll sich ihm als dem Herrn unterwerfen. Sie soll sich allem fügen, da sie weiß, daß alles, was er fordert, der Heiligen Schrift gemäß, gottesfürchtig und Christus gefällig ist.« Hey, Jimmy, eine Frage, dachte Lucy und stellte das Buch ins Regal zurück: Was hält Gott davon, daß du dich von deiner Frau und aus deinem 1,5-Millionen-Dollar-Haus weggeschlichen und zusammen mit einer Prostituierten ein schäbiges Motelzimmer gemietet und sie dafür bezahlt hast, daß sie die Beine breit macht und an sich herumspielt, während du masturbierst? Sie dachte an die triumphierenden Angaben auf dem Buchcover: 2,2 Millionen Haushalte verfolgen seine wöchentlichen Sendungen im Fernsehen, 500 Millionen weltweit. Der Prediger Nummer eins in der Glotze, bis zu diesem kleinen Missgeschick . Ein Mann, der für die Wirtschaft von Baton Rouge Millionen wert war, wie Farley jr. erklärt hatte. Wie konnte es sein, daß Millionen Leute solche Ansichten hören wollten? Wie konnten so viele ihrer Landsleute dazu bewegt werden, ihr hart verdientes Geld herzugeben, um eine solche Politik und solche Meinungen zu unterstützen?
    Welche Hoffnungen haben wir Frauen? dachte sie düster. Sofern es um Christen geht, hat sich die Lage kein bisschen verbessert …
    »Lucy?«
    Sie wandte sich um und sah Farley an der Tür.
    »Dr. O’Hanrahan ist da, und das Essen kommt gleich auf

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