Der dreizehnte Apostel
Life Covenant Center oder zu einer ähnlichen Einrichtung gehen. Nach Hause fahren, bevor man sieht, daß ich schwanger bin, ihnen etwas vorflunkern von der Schriftrolle, an der ich in Louisiana arbeiten muss , das Kind bekommen, es zur Adoption freigeben und dann wieder zu meinem Leben zurückkehren, während sie oder er aufgezogen wird von anderen …
Sie oder er: Zum erstenmal hatte sie diesem Es in ihrem Körper eine solche Identität gegeben. Egal, dachte sie stoisch, ich werde es hergeben müssen. Ich mag Kinder nicht so besonders, und Cecilias kleine Monster treiben mich zum Wahnsinn – dieses Geschrei und Geheul und dieser Egoismus, den man mit liebevoller Behutsamkeit zähmen muss . Aber hier müsste ich diesen Brief schreiben. Den Brief, den das Kind lesen wird, wenn es achtzehn Jahre alt ist – und ich sechsundvierzig, wieder ein neues, völlig unbekanntes Leben … Liebe Tochter oder Lieber Sohn. Wahrscheinlich fragst du dich, warum ich dich hergegeben habe … Nein! Weißt du, wenn die Dinge anders gewesen wären, hätte ich dich nicht hergegeben … Nein!
Vielleicht wirst du es nie verstehen, warum ich es für besser gehalten habe, dich herzugeben. Aber da du nun achtzehn Jahre alt bist, kannst du vielleicht verstehen, wie sehr es dein Leben verändern würde, wenn du ein Kind großziehen müsstest … Wer immer und wie immer du bist, mit deinem Südstaatenakzent und der von deiner Mutter geerbten irischen Jugend akne, eines musst du mir glauben: daß ich dir wirklich einen großen Gefallen getan habe; und daß ich, deine Mutter, dich liebe und das Beste für dich wollte … Ich wäre das Beste jedenfalls nicht gewesen … Ich hoffe, daß du nun sehr glücklich bist in deinem wundervollen, geheimnisvollen Leben, das vor dir liegt, so wie mein Leben einmal vor mir gelegen hat … Besser völliges Schweigen als solch ein Brief! Mein Gott!
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O’Hanrahan erwachte und spürte einen dumpfen Schmerz. Verschwommen nahm er den Raum wahr und stellte fest, daß es draußen dunkel war und im Zimmer nur ein mattes Nachttischlämpchen brannte. Der Wecker auf dem Nachtkästchen zeigte an, daß es fast Mitternacht war. Es war ein behagliches kleines Zimmer, wahrscheinlich das Luxuszimmer im Bullins Medical Center, vermutete O’Hanrahan. Neben ihm stand ein Nachttisch, auf dem verschiedene medizinische Utensilien lagen, und zwischen Nachttisch und Bett hing der Tropf mit drei Flaschen, aus denen er Infusionen bekam. Der linke Arm war mit einer leichten Schiene stabilisiert, damit er ihn nicht beugen und dabei die Schläuche abreißen konnte. Mit diesen Nadeln haben sie dich gepiekst, und du warst so vollkommen weg, daß du nichts mitbekommen hast, überlegte er. Und außerdem lagen auf seinem Nachttisch drei Zigarren der Marke Dom Perignon, jede einzeln verpackt in eine Feuchthaltehülle. Bestimmt hatte nicht Lucy die hingelegt … Bullins vielleicht? »Zigarren, Mr. O’Hanrahan«, sagte eine rauhe Stimme ruhig. Schwach hob O’Hanrahan den Kopf. Neben der Lampe saß ein Mann um die Sechzig mit vollem Silberhaar, typischer Politikerhaarschnitt, ein stämmiger, aber nicht schwerer Mann in tadellosem dunklem Anzug. Er hatte im Wall Street Journal gelesen, das auf seinem Schoß lag. Eine Flasche, wohl irgendein Whisky, stand neben dem Fremden, züchtig verhüllt in einer braunen Papiertüte.
»Dom Perignon, wie Sie zweifellos bemerkt haben«, sagte der Mann. Es war die Stimme eines Zigarrenrauchers, vom ursprünglichen Tenor abgesunken auf einen rauhen Basston .
»Danke«, sagte O’Hanrahan, erschrocken, wie matt sich seine Stimme anhörte. »Ich nehme also an, daß Sie kein Arzt sind.«
Der Besucher legte das Wall Street Journal beiseite. »Nein«, bestätigte er, ohne sich näher vorzustellen.
»Diese Flasche hier ist ein Kentucky Bourbon, über den Sie sich vielleicht freuen. Aus einem b esonderen Vorrat, Ol d Confederate – ein Privatlager, nur ein paar Fässer von dem Zeug sind je hergestellt worden. Man hat mir erzählt, daß Sie Hepatitis und eine Reihe von Komplikationen dabei haben, aber ich dachte, wenn Sie wieder gesund sind, werden Sie ihn zu schätzen wissen.«
»Vielleicht werde ich nicht mehr gesund.«
Der Besucher sah auf seine glatten, manikürten Hände. Er stand auf, nahm die Flasche und stellte sie auf O’Hanrahans Nachtkästchen. O’Hanrahan registrierte, wie jung die Hände dieses Mannes aussahen, wie die eines Teenagers, ohne Altersflecken oder Falten. Der Mann stand neben
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