Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
Vom Netzwerk:
Sir, eine Frage hat mich tagelang beschäftigt. Ich verstehe, wie Sie in Ihrer orthodoxen Mönchskutte vor uns in Athen sein konnten …«
    »Nicht schon wieder!«
    »Aber als wir in der Nationalbibliothek von Khartum waren, sagte man uns, daß der fanatische Frater dagewesen sei. Und ich habe Sie zwei Tage später in Jerusalem angerufen. Sind Sie am selben Abend noch ins Flugzeug gestiegen?«
    Er starrte sie verständnislos an. »Ich war nie in meinem Leben in Khartum.«
    »Und im Wadi Natrun in Ägypten?« fragte sie weiter. »Der fanatische Frater war auch dort. Und in Kairo.«
    »Hören Sie, ich habe diese verdammte Kutte ein einziges Mal getragen, zum Teufel. Für einen kurzen Abstecher in die Bibliothek des Patriarchen in Athen, und das habe ich hauptsächlich gemacht, um den Papierkram abzukürzen. Paddy hat mich auf die Idee gebracht. In Rom hat er mir erzählt, daß ein Mönch hinter der Schriftrolle her sei, und so schien das eine gute Art zu sein, meine Spur zu verwischen.« Aus der Richtung des fetten Mannes im weißen Anzug waren pfeifende, zischende Laute zu hören, als würde in Abständen Luft aus einem Reifen gelassen. Der Mann wandte sein Cherubimgesicht ab und versuchte, seine offensichtliche Belustigung zu verbergen.
    »Sie waren also gar nicht im Wadi Natrun oder in Khartum«, wiederholte Lucy verwirrt.
    Ungeduldig fauchte der Rabbi jetzt den Dicken an: »Was zur Hölle wollen Sie?«
    »Meinen Sie mich?« fragte der andere mit deutschem Akzent zurück.
    »Sie sind seit dem Flughafen Ben Gurion hinter mir her. Jetzt sagen Sie mir bitte: Was wollen Sie?«
    Lucy konstatierte, wie das Gesicht des Mannes von seinem Rosaton in ein tiefes, gesundes Rot überging. Dann unterdrückte er das pfeifende, leise Lachen, das seinen Bauch vibrieren ließ. »Ich weiß, wer Sie sind … Sie sind der ehrwürdige Mordechai Hersch von der Hebräischen Universität, ja?« Der Mann ergriff mit seiner fleischigen, beringten Hand sein Tablett und kam an den Tisch von Lucy und dem Rabbi. »Und Sie sind Dr. O’Hanrahans Assistentin, nicht wahr? Ich habe Ihre Diskussion mit angehört, verzeihen Sie, verzeihen Sie … Ich bin Matthias Kellner aus Trier.«
    »Einer der ehemaligen Besitzer der Matthias-Schriftrolle«, folgerte der Rabbi.
    »Ich persönlich«, strahlte der Dicke stolz und legte sich die Hand aufs Herz, »war im Wadi Natrun und in Khartum! Ich habe mir die Kutte eines orthodoxen Mönches machen lassen.« Er machte eine Sprechpause, als erwarte er, daß man ihm zu seiner Klugheit gratulierte. »Ihr Mentor«, nickte er Lucy zu, »hat mir gesagt, daß ein Mönch hinter der Schriftrolle her sei, und ich kam auf den Gedanken, dieses Abenteuer zu unternehmen. Herr O’Hanrahan war so gut, mir die ganze Reiseroute aufzuzählen, ohne den Verdacht zu schöpfen, daß ich so genial sein könnte, ihm zu folgen.« Er lachte und klatschte sich auf die Schenkel. »Ich kann zufrieden berichten, daß ich vollkommen glaubwürdig war und nirgends Verdacht erregt habe. Aber leider habe ich weder den fehlenden letzten Teil des Evangeliums noch Hinweise auf die Sprache gefunden, in der es geschrieben ist.«
    Der Rabbi blieb unbewegt. »Darf ich fragen, was Sie jetzt hier suchen?«
    »Ich nehme an, daß Sie jetzt das ganze Evangelium in Ihrem Besitz haben und mit seiner Übersetzung befasst sind. Daher bin ich gekommen, um Ihnen ein hübsches Sümmchen zu bieten, Mr. Hersch. Und auch Sie sollen etwas haben«, setzte Kellner hinzu, an Lucy gewandt. Der Rabbi nahm seine leere Tasse, stand auf, um sich noch mal Kaffee zu holen, und erwiderte: »Nun, Mr. Kellner, es tut mir leid, Sie zu enttäuschen, aber wir sind nicht die Leute, mit denen Sie verhandeln müssen. Wir haben das Evangelium nicht, und wir würden es Ihnen nicht verkaufen, wenn wir es hätten.«
    »Für eine Million Dollar?«
    Der Rabbi schien nachzudenken, neigte den Kopf auf die eine, dann auf die andere Seite und erklärte
    schließlich: »Wir könnten darüber reden. Vielleicht wird die alte Schriftrolle des Matthiasevangeliums im Matthias-Kellner-Flügel des Israel-Museums ausgestellt …«
    »Nein, Sie wird zurückkehren in ihre Heimat Trier!«
    Der Rabbi schluckte das und ging, um den Kaffee zu holen. »Wir werden darüber reden.«
    Sofort wandte Matthias Kellner sich an Lucy. »Stehlen Sie die Schriftrolle für mich, junge Dame, und ich mache Sie reich! Reich!«
    Lucy lächelte und nahm endlich einen Bissen von ihrer Gemüseplatte. »Sie sind also der fanatische

Weitere Kostenlose Bücher