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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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gewesen war, lag nun in Fieber und Delirium. Hin und wieder konnte er klar denken, dann delirierte er wieder und fragte, ob Rabbi Hersch eine Halluzination oder real sei. Dann war Lucy zu O’Hanrahan gegangen, und sie hatten verabredet, sich anschließend in der Cafeteria zu treffen, um ein spätes Mittagessen einzunehmen. »Keine Besserung«, sagte sie, als der Rabbi die Zeitung zusammenfaltete. »Er war wieder wach, aber er hat mir gar nicht gefallen. Delirium, hohes Fieber, Eispackungen, überall Monitore angeschlossen …«
    »Es geht ihm also schlechter.«
    »Ja, es geht ihm schlechter«, bestätigte Lucy schlicht. Ob O’Hanrahan wohl die Flasche Bourbon geleert hatte und daher in dieses Delirium abgedriftet war? Sie verfluchte sich, daß sie nicht entschlossen genug gewesen war, den Bourbon in den Ausguss zu schütten. Rabbi Hersch sah sich misstrauisch um und beugte sich näher zu ihr. »Sprechen Sie ganz leise. Sehen Sie diesen shlemazl drei Tische weiter?
    Das ist der Clown, der in Jerusalem ins Flugzeug gestiegen ist. Zwei Sitzreihen hinter mir hat er gegessen.«
    Lucy musterte kurz den Verdächtigen: ein fetter Mann in weißem Anzug, mit gelbem Hemd und hellblauer Krawatte, die zu seinem Einstecktuch passte ; über einem rosigen Babygesicht mit einem dunkelblonden Spitzbart à la Tutenchamun thronte ein Panamahut.
    Lucy wollte fragen, was geschehe, wenn O’Hanrahan … sterben würde. Würde Rabbi Hersch sich bereit erklären, seine Aufgabe zu übernehmen, sich Bullins und dem feindlichen Lager zu verpflichten? Wahrscheinlich würde er es tun, so lange, bis er eine Gelegenheit fände, sich das Matthäusevangelium zu schnappen und nach Jerusalem abzuhauen. Aber würden die Freimaurer und Merriwether dann nicht wieder versuchen, es in die Hand zu bekommen? Auf jeden Fall wäre Lucy ein unnötiges Anhängsel, und sie würde sich wieder an ihre Doktorarbeit setzen müssen … Ihr wurde schlecht, wenn sie an all die Karteikärtchen mit belangloser Faktenhuberei dachte, die darauf warteten, zu einer mehrere hundert Seiten dicken Doktorarbeit zusammengestellt zu werden. Und welchen Wert hätte das alles, wenn der arme O’Hanrahan starb und sie allein ließ in dieser zutiefst bedeutungslosen Welt, die sie sich aufgebaut hatte. Würde er aus seinem fiebrigen Schlaf aufwachen, so würde er ihr sagen, daß er, wenn schon niemand anderer, leidenschaftlichen Anteil daran nahm, was sie, seine letzte Schülerin, aus ihrem Leben machte, davon war Lucy fest überzeugt.
    Langsam erklärte sie: »Ich hätte strenger mit ihm sein sollen. Ich hätte ihn von vielen seiner Exzesse abhalten können, wenn ich ein Machtwort gesprochen hätte. Nicht am Anfang, vielleicht …«
    Der Rabbi wischte diese Überlegung beiseite. »Was hätten Sie tun können? Ich dagegen, ich hätte ihm trauen und ihm die Wahrheit über das letzte Kapitel sagen sollen …«
    Ein Löffel fiel zu Boden, und der dicke Mann deutete den Versuch an, ihn aufzuheben.
    »Und wenn ich offener zu ihm gewesen wäre«, fuhr der Rabbi fast flüsternd fort, »wäre er vielleicht nicht so paranoid gewesen und hätte nicht so viele Flaschen gekippt – obwohl das eben einfach seine Art ist. Vielleicht«, er holte tief Luft, »vielleicht hätte ich ihn erst gar nicht anrufen sollen. Vielleicht hätte ich ihn in Chicago lassen sollen, wo er war, statt zu versuchen, den Retter zu spielen und Hoffnungen in ihm zu wecken.«
    Lucy wagte es, kurz ihre Hand auf die Hand des Rabbis zu legen. »Nein, Sir. Es war gut, daß Sie das getan haben.« Verlegen zog er die Hand fort.
    Sie lächelte matt. »Ich hätte ihn sonst nie kennengelernt. Oder Sie.« Daß der Rabbi immer noch mit ihr redete, war der beste Beweis, daß er ihr die voreiligen, leichtfertig erhobenen Anschuldigungen im Hotelzimmer in Addis Abeba verziehen hatte. Wie problemlos war es ihr gelungen, alles, was sie über das gute Herz dieses Mannes wusste , zu ignorieren und sich mit selbstgerechter Empörung für sie und Dr. O’Hanrahan und – sie zuckte zusammen – den Ruhm des christlichen Glaubens aufzuspielen. Einen Augenblick lang hatte sie sich auf die Seite der Inquisition gestellt. In diesen Augenblicken des Schwankens von im Grunde guten Menschen, erkannte sie, wird das Unheil auf der Welt angerichtet. »Und Sie hätten nicht das schöne Philadelphia, Louisiana, gesehen.« Sie wechselten ein Lächeln.
    Ebenso unausgesprochen waren noch einige bohrende Fragen – aber die konnte sie nun stellen. »Rabbi,

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