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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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Dienst dessen, der uns den Weg wies, treten werden. Oh, wie glorreich wird die Welt sein, in der wir dann leben werden!
    Aber warum wandte ich mich ab, ehe die Wahrheit offenbar war? Nun, um meinetwillen.
    4.
    Zu guter Letzt, lieber Bruder, habe ich den Glauben der Wahrheit vorgezogen. Soweit ich mich erinnere, soll man den Meister bei der schändlichen Gerichtsverhandlung gegen ihn gefragt haben: »Was ist Wahrheit?«
    Unser Meister gab darauf keine Antwort.2 Es würde mich nicht überraschen, wenn selbst Gott auf diese Frage schweigen würde. Denn warum sollte Er, der Einzige, der die Macht hat, der Wahrheit gewiss zu sein, sie uns lehren? Nicht die Wahrheit schenkt uns der Herr der Welt, denn es ist doch klar, daß wir sie nicht zu schätzen wissen würden. Statt dessen hat er uns die Fähigkeit zu glauben gegeben. Währen d der letztvergangenen Jahre ha be ich mich von meiner Begierde nach dem Wahren auf allerlei Irrwege führen lassen. Den Glauben kann man nicht wie eine Wahrheit durch Beweise wiedergewinnen. Ich be gann diese Niederschrift mit dem Bekenntnis, daß ich me i nen Glauben verloren hatte. Eben sagte ich dir, daß er sich wieder eingestellt hat. Aber der Glauben, den ich wiederfand, ist ein anderer als der, den ich verlor. Es ist nicht die lodernde Feuersbrunst meiner Jugend, nicht mehr. Nur ein kleiner Funken, der des Schutzes und der ständigen Zuwendung bedarf, um nicht zu erlöschen. Der aber während der Stunden, die mir noch bleiben, gewiss nicht erlöschen wird und mir Wärme genug gibt.
    5.
     
    Hier scheue ich mich nicht, deinen Tadel herauszufordern, Josephus, aber auch du wirst, meine ich, zu deinem Glauben zurückkehren, wenn auch vielleicht nicht in das Priesteramt, das einst dein Leben war. Bewundere die Römer und ihr Reich und dessen Verwaltung durch sie, sosehr du willst; es mag ja sein, daß die Welt nie etwas Großartigeres gesehen hat als dieses Rom noch zukünftig sehen wird. Ich weiß dennoch, daß du entdecken wirst, daß auch Rom in den Staub sinken muss ; daß die gewaltigen Bauten der Römer nichts anderes als zukünftige Ruinen sind. Ich weiß nicht, zu welchen Glaubensartikeln du zurückkehren wirst.3 Seltsam, wie ich hier, da sich vor meinen Augen mein letzter Tag zur Nacht verdunkelt, plötzlich mit einer gewissen Heiterkeit zu erkennen meine, daß es auf die Einzelheiten des Glaubens, den wir bekennen, nicht groß ankommt. Gott muss auf einige Verwirrung unserer armen Begriffe von Ihm gefasst sein. Aber was Er uns sicherlich
     
    nicht verzeiht, ist, wenn wir einander – um gewisser Unterschiede zwischen unseren auf Ihn bezüglichen Begriffen willen – das Leben zur Hölle machen; ebenso wenig wird Er es uns verzeihen, wenn wir uns weigern, uns Seinetwegen den Kopf zu zerbrechen.
     
    6.
    Weißt du, ich kann dir sagen, Bruder, während ich dem jungen Tesmegan diesen Bericht von meinen Reisen diktiert habe – was ist denn los, mein Junge? Tränen wegen des bevorstehenden Endes ausgerechnet meines elenden Lebensrests? (Ach, bis zuletzt muss ich mich mit Unsinn und Unfähigkeit abfinden.) Also, wie ich sagte, in diesen letzten Tagen habe ich die Jahre meines Lebens noch einmal durchlebt und nu n, da mir nicht mehr viele Stun den bleiben, bis mich morgen früh die Meröiter backen oder braten oder sonstwie scharfsinnig für die Ewigkeit präparieren, will es mir scheinen, daß ich mir mit den Jahren immer weniger aus den scheltenden und schimpfenden Stimmen der Propheten Israels gemacht habe, daß auch die überzeugten Stimmen des Petrus und des Gamaliel mich immer weniger überzeugten; ja daß selbst das Antlitz des Meisters, das mir einst so leuchtend vor der Seele stand, mit den Jahren etwas blasser und undeutlicher geworden ist.
    Nein, ganz wie Maria es mir vorhergesagt hat, habe ich schließlich vor allem den Heiligen Geist zu lieben und zu schätzen gelernt. Die Selige Sophia, die mich mit einer Ruhe und Einsicht leitet, die ich die längste Zeit meines Lebens für die Erinnerung meiner seligen Mutter gehalten habe, die mütterliche Stimme meines eigenen Gewissens.
    7.
    O ja, da ich von der Sophia rede, habe ich wohl, glaube ich, erwähnt, daß Maria mir ein Schriftstück mitgab, das ich öffnen und lesen sollte, erst wenn ich in Meroë die gesuchte Gewissheit gefunden hätte. Ich öffnete es mit Zittern und Beben, hätte es doch ein Wort von des Lehrers der Rechtschaffenheit eigener Hand gewesen sein können. Aber nein, was ich fand, waren nur Worte eines jungen

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