Der dreizehnte Apostel
Du hast dein Ticket auf Unsterblichkeit verschenkt. Baut den Sockel wieder ab, Jungs, ich komme doch nicht. Aber es war das Richtige, nicht wahr? Weil ich so selten das Richtige tue, habe ich vergessen, daß es ein bestimmtes Gewicht und eine bestimmte Form im Herzen hat, und obwohl es nicht leicht ist oder besonders glücklich macht, spürt man ein Gefühl von Zusammenhang und Ordnung. He! Und auf jeden Fall, wer hat schon Lust, diese ganzen verdammten Fußnoten zu schreiben? Es ist nur zu schade, daß der ganze Spaß vorbei ist. Er schloss die Augen und fühlte sich ungewöhnlich müde. Er kuschelte sich in die Decken und spürte wieder das Pochen in Füßen und Handgelenken, aber es war nur ein dumpfer Schmerz, ebenso wie das Stechen an seiner Seite. In Deine Hände, dachte er, als er auf seine schwieligen, knotigen Altmännerhände starrte, fleckig und zittrig, empfehle ich meinen Geist.
(Aber weißt du was, Patrick? Wir lassen dich am Leben. Ein paar gute Jahre noch, vielleicht sogar länger. Wenn du nach der Bypassoperation hier herauskommst, dann halte dich an die Diät, mach die Übungen, die man dir empfiehlt, nimm die Medikamente – und nicht dieses Percodan –, und du wirst Zeit haben, Q zu finden. Ja, das wird bedeuten, daß du nach Teheran gehst und neue Abenteuer erlebst, um es milde zu formulieren, und wie immer werden Wir bei dir sein. Aber nicht Lucy. Auf Lucy wartet ein anderes Geschick.)
Lucy beschloss , mit dem Rabbi über O’Hanrahans Großzügigkeit zu reden, daher ging sie nach unten, um sich in der Cafeteria umzusehen, fand sich aber plötzlich vor der Tür zur Damentoilette. Es ist soweit. Sie hielt sich selbst eine Strafpredigt: Zeig ein Zehntel von dem Mut O’Hanrahans, der im Angesicht des Todes das, was ihn am Leben gehalten hat, für ein unwürdiges kleines Nichts wie dich geopfert hat. Bringen wir die Sache hinter uns!
Lucy betrat die Damentoilette und sah in den Spiegel. In einer der Kabinen hörte sie die Wasserspülung rauschen. Eine Frau verließ den Raum, und Lucy war allein. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete sich. Das war nicht die junge Frau, die im Juni Chicago verlassen hatte. Sie ging in eine der Kabinen und Schloss sich nervös ein. Ihr Atem ging flacher, als sie sich auf die Toilette setzte. Sie holte tief Luft, um sich ein wenig zu beruhigen. Sie las die Gebrauchsanweisung, stellte sich nur ganz wenig ungeschickt an, als sie die Urinprobe abfüllte, steckte das Stäbchen hinein und hielt den Behälter fest. Bitte, Gott! Ihr kam der Gedanke, daß vielleicht eine Schwester in den Tagen der frühen Kirche während ihres angstvollen Wartens auf die Periode das Wort geprägt hatte: Gerettet durch Blut, gereinigt im Blut. Waren jetzt zehn Minuten vorbei? Lucys Herzschläge, die laut in ihrem Kopf widerhallten, waren das Maß ihres augenblicklichen Lebens. Sie zog das Stäbchen heraus. Es war rosa. Was bedeutete das?
Sie las die Rückseite des Behälters: Sie war schwanger. O Gott! Das kann nicht sein!
Noch einmal. Tränen rannen ihr stumm übers Gesicht. Sie riss sich zusammen und verließ die Kabine, um ans Waschbecken zu gehen. Sie trank und trank und trank. Das kalte Wasser verursachte ihr einen momentanen Schmerz am Gaumen, der sich im ganzen Kopf fortsetzte. Sie hielt inne, aber dann trank sie zwanghaft weiter. Zehn Minuten später zeigte der Test dasselbe Ergebnis. Gibt es noch irgendein Schlupfloch? Eine kleine Möglichkeit des Irrtums? Lucy sah sich im Spiegel an, aber diesmal blickte ihr Gesicht ihr entschlossen und wissend entgegen. Konnte sie den Plan durchziehen, den sie nun im Kopf hatte? »Ja«, seufzte sie dem Spiegel vor. »Es muss sein.«
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Lucy sah in ihrer Tasche nach, ob das Geld, das sie abgehoben hatte, noch da war.
»Lafayette Road, haben Sie gesagt, ja?«
»Ja, Sir«, erwiderte sie dem Taxifahrer, einem grauhaarigen dickbäuchigen Schwarzen in einem weißen Hemd, das eine Nummer zu klein war. »Das ist diese Frauenklinik, nicht wahr?«
»Ja, genau.«
Immerhin war sie jetzt ruhig. Am Ende des Tages würde sie physisch wieder diejenige sein, die sie vor diesem Sommer gewesen war. Und die Fakten präsentierten sich in klarer Deutlichkeit: Ich bin nicht geschaffen dazu, Mutter zu sein, nicht einmal dafür, für eine andere Frau eine Geburt auf mich zu nehmen. Und während ich schwanger war, habe ich getrunken, geraucht und kleine Dosen von Cholera und Typhus injiziert bekommen, so daß der Fötus auf jeden Fall
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