Der dreizehnte Apostel
kein guter Mensch bin …
(Aber das bist du. Und das ist alles, was von dir bleibt, wenn du stirbst, Mein Kind, das Gute, das du getan hast. Es gibt so viel schlechte Theologie und lee res Gerede über den Glauben an die Werke. Besser die entmutigte Zynikerin, die kostenloses Essen in der Suppenküche ausgibt, als die Frömmigkeit von weltfremden Prälaten, Theologen, Wächtern über le e re Rituale, Doktoranden oder Erfindern religiöser Regeln. Wenn du in deinem Leben niemandem Gutes tust, dann zur Hölle mit dir! So einfach ist das.)
Sünder wie ich können Dein Werk tun?
(Der Mörder Moses. Der Analphabet Mohammed. Jesus, der Sabbatbrecher. Der Frauenheld Martin Luther King. Der Fanatiker Paulus. Der Trunkenbold Noah. O Mein Kind, du weißt nicht so gut wie Wir, wie sehr du emporsteigen wirst.)
Lucy starrte wieder auf die Karte der Catholic Relief Charities. Versprichst Du mir, Heiliger Geist, daß Du bei mir sein wirst, wenn ich das tue?
Das Taxi hielt vor dem Frauenzentrum der Feliciana Parish an. Und versprich mir, Heiliger Geist, auch wenn diese Bitte wahrscheinlich eine Sünde ist, daß Du auch jetzt bei dieser Prozedur in der Klinik bei mir sein wirst?
(Aber Wir waren immer bei dir. Und wer könnte sagen, Meine Kinder, ob ihr Uns erfunden habt oder Wir euch erschaffen haben. Aber wir hören gegenseitig unsere Stimmen, nicht wahr? Wir können dir nur sagen, daß Wir wahr sind, so wie ihr wahr seid, so wie die Liebe wahr ist. Und daß Wir immer mit euch sein werden. Jetzt und bis ans Ende der Zeit.)
SIEBEN
… und Benjamin brachte mich zur Tür der Kammer, in welcher sich jenes frevelhaf te Ding, jener angeblich konser vierte Leichnam des Meisters befand.1
1.
Und hier, mein Bruder – du wirst das gewiss seltsam finden –, blieb ich steh en und weigerte mich weiterzuge hen.
Benjamin betrat mit der Fackel die Kammer und forderte mich auf, ihm zu folgen, aber ich blieb stehen wie angewurzelt! Er begann stinkende Binden von einem Ding abzuwickeln, das eine Leiche hätte gewesen sein können, und ich verlangte, er solle damit aufhören und mich wieder nach oben bringen.
Er sagte zu mir: »Aber jetzt sind die Soldaten hier. Sie werden dich bestimmt finden.«
Ich weiß nicht genau, was dann passierte, weil ich einen Schlag auf den Schädel bekam. Ich weiß, daß Benjamin mich angriff, weil er dachte, ich wollte mich vor dem Zahlen drücken. So schlug er mich und nahm mir den Gürtel ab und das Geld, das ich dabeihatte. Ich wollte nur weg, und in meiner Aufregung machte ich, während ich die Leiter hinaufkletterte und meinem Verfolger über die Schulter zurief, er möge mich in Frieden lassen, die Wachen auf mich aufmerksam.
2.
Ich machte mir keine Illusionen und wusste wohl, was ich riskiert hatte, und so erniedrigte ich mich nicht so weit, um Gnade zu betteln. Ich wusste ja, daß man sie mir nicht erweisen würde. Aber meine würdige Haltung verfehlte offenbar ihre Wirkung a uf die Kandake nicht, denn Hoch derselben Üppigkeit wurde durch das über mich gefällte Urteil zu Tränen gerührt und geruhte gnädig, meinen Schreiber Tesmegan anzuweisen, in meinem Dienst zu bleiben, bis geschrieben ist, was ich zu sagen habe … (Mein armer Tesmegan ist verwirrt. Da sitzt er und murmelt vor sich hin, ja, schreibe alles hin, ich bin fast fertig.) Dieser Knabe kann nicht verstehen, daß ich mir die Ungnade der Herrscherin und dieses Urteil zugezogen habe um einer Gewissheit willen, die ich dann doch zurückgewiesen habe! Ach, mein treuherziger Schreiber, schließlich sind doch wir alle zum Tode verurteilt, vielleicht heute, vielleicht erst in Jahrzehnten, aber vermeiden lässt er sich nicht. Wollen wir also wirklich wissen, was uns zermalmen und alle Hoffnung rauben würde? Wollen wir uns selbst des Trosts unserer schwärzesten Stunden berauben, unseres Beistands in unserem Kampfe mit unbeantwort baren fragen, in den letzten Stunden unseres Erdenlebens?
3.
Ich sage dir, junger Tesmegan, setze dem, was du glaubst, nicht allzu drängend zu, verlange nicht zuviel. Hätte ich in jenem scheußlichen Keller das tote Antlitz des Lehrers der Rechtschaffenheit erblickt, ich glaube, wenn ich’s recht bedenke, daß ich deswegen niemandem die Wahrheit gesagt hätte. Denn was ist die Wahrheit neben dem Guten, das wir Nazaräer in die Welt bringen werden? Es mag absurd sein, doch ich glaube, daß eines Tages Rom vor den Nazaräern die Waffen strecken wird, daß alle Heere und Schätze des Reichs in den
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