Der dreizehnte Apostel
Herodias vor ihnen tanzte, dem Mädchen entzückt jeden Wunsch zu erfüllen versprach, worauf das von seiner Mutter instruierte junge Ding sich den Kopf des Moralpredigers wünschte. Der Bruder unseres Autors, Josephus, aber sagt in seinen Jüdischen Altertümern XVIII, v, 2, daß Herodes fürchtete, »das Ansehen des Mannes, dessen Rat allgemein befolgt zu werden schien, möchte das Volk zum Aufruhr treiben, und hielt es daher für besser, ihn rechtzeitig aus dem Wege zu räumen, als beim Eintritt einer Wen-dung der Dinge in Gefahr zu geraten und dann, wenn es zu spät sei, Reue empfinden zu müssen. Auf diesen Verdacht hin ließ also Herodes den Johannes in Ketten legen, nach der Festung Machärus bringen … und dort hinrichten.« So Josephus, wenn nicht die-se Johannes den Täufer betreffende Stelle seiner Jüdischen Altertümer die Interpolation eines christlichen Überlieferers seiner Schrift ist, wie von manchen angenommen wird. Versuche, den Täufer als Angehörigen der Sekte der Essener zu identifizieren, sind wenig überzeugend ausgefallen. Doch daß er, der das Haar lang trug und geistige Getränke mied – »Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken«, verhieß schon der Engel, der diesem seine Geburt ankündigte, dem Vater des Täufers (Lukas 1,15) –, als Nasiräer gelten kann, darf wohl behauptet werden.
3 Es mag von Interesse sein zu erfahren, daß der Täufer, wenn er denn wirklich, wie unser Gewährsmann ihn reden lässt , der nach griechischer Mode geschminkten Frau in griechischer Sprache ins Gewissen redete, deren tadelnswerte Begierden nicht als p...., charakterisierte (Begierde als Schicksal, Unglück, Leiden und Kummer), dieselben auch nicht als ..e..., bezeichnete, sondern von ..µ. sprach, der stürmischen, drängenden, eifernden Begierde, die kopflos zupackend verfährt.
4 Hesekiel 16,15: »Aber du verließest dich auf deine Schöne; und weil du so gerühmt warst, triebst du Hurerei, also daß du dich einem jeglichen, der vorüberging, gemein machtest und tatest seinen Willen.«
5 Hier haben wir einen Hinweis, der zur Lösung des Rätsels beitragen mag, das uns die neutestamen tarischen Aussagen über diesen Zacharias aufgeben. Bei Lukas 1,5 lesen wir, daß der Vater des Täufers »ein Priester von der Ordnung Abia, mit Namen Zacharias« war. Bei Matthäus 23,35 spricht in seiner Strafpredigt wider die Schriftgelehrten und Pharisäer Jesus von »Zacharias, dem Sohn Berechjas, welchen ihr getötet habt zwischen dem Tempel und Altar«. Nun erwähnt aber Josephus in seinem Jüdischen Krieg IV, v, 4, daß unter der Schreckensherrschaft der Zeloten in Jerusalem während der römischen Belagerung, Zacharias, Sohn des Baruch, einer der angesehensten Bürger der Stadt, in einem Schauprozess als Verräter abgeurteilt werden sollte; und daß, als die eigens zu diesem Zweck bestellten Richter Zacharias wider Erwarten freisprachen, »zwei der verwegensten Zeloten mitten im Tempel über Zacharias herfielen und ihn erschlugen«. Daß der Vater des Täufers, Zacharias, im Tempel erschlagen wurde, berichtet dann das Protoevangelium des Jakobus, ein allerdings selbst in seiner ältesten Fassung, die diesen Bericht noch nicht enthalten zu haben scheint, nicht vor 150 n. Chr. zu datierendes Werk. So stellt sich also die Frage: War vielleicht der nach den Worten Jesu im Tempel erschlagene Prophet (über dessen Tod man aus anderer Quelle keine Nachricht hat) kein anderer als der angesehene Bürger, dessen Ermordung mitten im Tempel Josephus erwähnt? Wenn sich’s so verhält, muss man sich freilich mit der Einsicht abfinden, daß der Hinweis auf das Sterben jenes Gerechten, mehrere Jahrzehnte nach der Kreuzigung, Jesus von den Evangelisten anachronistisch in den Mund gelegt worden ist.
6 Johannes, der Jünger und Evangelist, um 10-110?
n. Chr. Den Apologeten zufolge wäre der Verfasser des Johannesevangeliums und des 1. Johannesbriefes kein anderer als der im Johannesevangelium erwähnte »Jünger, den Jesus lieb hatte«, jedoch nicht identisch mit dem Ältesten, der sich als Verfasser des 2. und 3. Johannesbriefes nennt (und von dem sonst nichts bekannt ist). Die moderne Kritik datiert das Evangelium übereinstimmend an den Anfang des 2. Jahrhunderts, zwischen 100 und 120 – der Herausgeber des hier vorgelegten Dokuments ist sogar geneigt, das angebliche Werk des Jüngers, »den Jesus lieb hatte«, noch später zu datieren. Doch auch nach der herrschenden Auffassung wäre dieser
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