Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
Vom Netzwerk:
Judenchristen auf der Forderung nach der Beschneidung der bekehrten Heiden auch im Fleische beharrten.
     
    11 In fast allen gnostischen Sekten des 2. bis 4. Jahrhunderts wurde Maria Magdalena mit besonderer Inbrunst verehrt. Als Jüngerin, als Empfängerin von Mysterien, die der Auferstandene nur ihr allein anvertraut habe. Diese Verehrung ging so weit, daß an manchen Orten nicht Petrus, sondern sie für das Haupt der Kirche gehalten wurde.
    Das 1896 zufällig gefundene Evangelium der Maria, eine vielleicht im 3. Jahrhundert entstandene koptische Übersetzung einer griechischen gnostischen Schrift, würdigt sie dieser Bedeutung entsprechend. Wie das ja auch die kanonischen Evangelien bezeugen, erblickt sie den auferstandenen Erlöser zuerst. Die Jünger, zumal Andreas und Petrus, weigern sich zu glauben, was sie von dem Auferstandenen erfahren haben will. Lewi (der Sohn des Alphäus?) übernimmt ihre Verteidigung: »Wenn der Erlöser sie aber würdig gemacht hat, wer bist denn du, daß du sie verwirfst? Sicherlich kennt der Erlöser sie ganz genau. Deshalb hat er sie mehr als uns geliebt« (Pap. Be rol. s. 18, 15). Unter den 1945 in Nag Hammadi entdeckten Handschriften zeugen mehrere von dieser besonderen Verehrung der Maria Magdalena. Im Dialog des Erlösers (»in der vorliegenden Gestalt wohl im
    2. Jahrhundert verfasst «, wie die Herausgeberin der hier zitierten deutschen Übersetzung, Beate Blatz, NT Apo6, Bd. 1 S. 247, urteilt) beweist sie im Gespräch mit dem Erlöser mehr Verständnis als die Jünger Matthäus und Judas. »Sie sagte diese Worte als eine Frau, die vollständig verstanden hatte« (Dialog des Erlösers, 53). Im Thomas Evangelium will Petrus Maria nicht im Kreise der von Jesus belehrten Jünger dulden. »Marjam soll aus unserer Mitte fortgehen, denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig.« Darauf erwidert Jesus: »Seht, ich werde sie ziehen, um sie männlich zu machen, damit auch sie ein lebendiger Geist wird, vergleichbar mit euch Männern. Denn jede Frau, die sich männlich macht, wird ins Himmelreich gelangen« ( Thomas Evangelium 114; deutsch in NT Apo6, Bd. 1, S. 113). Im Evangelium nach Philippus wird berichtet: »Der Soter [Erlöser] liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger, und er küsste sie oftmals auf den Mund« (Evangelium nach Philippus 55 b, deutsch in NT Apo6, Bd. 1, S. 161). Als die Zwölf sich deshalb beklagen und fragen: »Weswegen liebst du sie mehr als uns alle«, wird ihnen zur Antwort: »Weswegen liebe ich euch nicht so wie sie?« Ob Maria Magdalena als geistliche Geliebte Jesu dargestellt wird wie hier (Geschichten über eine geheime Ehe und sogar gemeinsame Kinder zu erfinden war späteren Ketzern vorbehalten) oder als Aspirantin auf ganze Männlichkeit wie im Thomas Evangelium – die Absicht ihrer Verehrer war stets die gleiche: Anfechtung der wachsenden Autorität der in apostolischer Sukzession regierten Kirche und der Theokratie der Bischöfe. Die orthodoxe Kirche suchte dementsprechend jene Protagonistin der gnostischen Häretiker nach Möglichkeit zu diskreditieren. Die Didache (eine zu Beginn des 2. Jahrhunderts verfasste Kirchenord nung, die älteste erhaltene) zitiert aus einem sonst nicht mehr bekannten Evangelium einen Bericht, dem zufolge Jesus einst Maria aus der eucharistischen Gemeinschaft mit den Jüngern ausschloss , weil sie gelächelt hatte. Die pseudopaulinischen Hirtenbriefe, in denen ja ebenfalls vorlaute Frauen gemaßregelt werden, sind um die gleiche Zeit geschrieben, wie auch das Johannesevangelium, wo man liest, daß Maria Magdalena, da sie sah, »daß der Stein vom Grab hinweg war«, bestürzt davonlief, Petrus und dem Jünger, »welchen Jesus lieb hatte«, nämlich Johannes selbst, begegnete, diesem sagte, was sie gesehen, worauf beide zum Grabe liefen, Johannes schneller als Petrus, weshalb dann der Jünger, welchen Jesus lieb hatte, als erster sah, was Maria Magdalena nur vermutet hatte, daß das Grab leer war: »Und sah und glaubte es.« Nach dieser Darstellung bestand also kein Anlass , Maria Magdalena als erste Zeugin der Auferstehung über Petrus und Johannes zu erheben, zumal sie, als sie dann den Auferstandenen leibhaftig erblickt, Jesus nicht erkennt und meint, »es sei der Gärtner«.
     
    12 Ein Wort zu der Überlieferung von Maria Magdalena als einer Prostituierten: Matthias hält Maria für eine Tochter aus gutem Hause mit beachtlichem ererbtem Vermögen. Und wäre sie wirklich nur eine gewöhnliche Hure gewesen, man

Weitere Kostenlose Bücher