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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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nachher vorliest, was du geschrieben hast, meine rhetorischen Schläge ein wenig dämpfen. (Tesmegan ist mein Schreiber, den ich hier von meinem letzten Geld angeschafft habe, was sicherlich die letzte Tat meines Lebens gewesen sein wird. Wie muss es dich entzücken zu erfahren, daß du nie wieder von mir hören wirst!) Aber lies weiter, denn siehe, ich verkündige dir große Freude, mein lieber Josephus. Ziemlich ein halbes Jahrhundert lang hat dich nun meine Verbindung mit der Kirche der Nazaräer6 geärgert, und nun gönne ich dir den Triumph der Gewissheit , daß ich am Ende meines Lebens mit meiner Kirche zerfallen bin und kaum zu sagen weiß, wer wen mehr anekelt und enttäuscht, ich meine Kirche oder meine Kirche mich. Im Laufe der letzten zwanzig Jahre ist die nazaräische Kirche traurig heruntergekommen.
     
    Aber das brauche ich dir, der du von jeher nur Schmähungen für die Jünger des Lehrers der Rechtschaffenheit7 übrig gehabt hast, kaum zu sagen.
     
    5.
    Aber höre: Mein Glauben an die Gerechtigkeit der Lehre des Erlösers ist unerschüttert – steht felsenfest!
     
     
    Doch der Anführer der Häresien, der sich auf die Lebensgeschichte des Herrn gestürzt hat, zwang mich, Ab-stand zu nehmen von der Bewegung, die er ins Leben rief, da dieselbe also von gotteslästerlichen Neuerungen überwältigt ward. (Natürlich habe ich, dein Bruder, als Gelehrter und Historiker, mir die Ausrottung aller Irrlehren nach Kräften angelegen sein lassen, aber ich finde heutzutage nicht mehr Gehör als Micha bei Jerobeam.)8
    Ich gedenke dir nun von den letzten zehn Jahren zu berichten, von meiner Suche nach der Wahrheit über den Meister und Seine Jünger; und schließlich, wie ich hier am Ende meines Lebens angelangt bin, im tiefsten Nubien, allein, mittellos, ohne Gefährten oder Synagoge zu meiner Unterstützung. (Tesmegan behauptet, daß ich zumindest in ihm einen Freund habe – also schön, schreib das hin, aber es sei die letzte deiner Unterbrechungen, junger Mann.) Wie Herodot bin ich bei meinem Bericht über Xerxes angelangt.9
    O Gesegnete Sophia, sei immer bei mir, da ich nun die letzte meiner Vortrefflichkeiten der Nachwelt anvertraue!
     
    6. Mir ist wohl im Gedächtnis, wie sehr du alle meine Mitjünger, deren Bekanntschaft du gemacht hast, mit Verachtung anzusehen beliebtest, mein Josephus, aber du hast mehr gemein mit ihnen, als du glaubst. Zwanzig Jahre vor der Zerstörung unserer Stadt Jerusalem [also im Jahre 50
    n. Chr.] verfasste ich ein dreibändiges Evangelium, das der Erste von uns Jüngern, Petrus, in einem Zornesausbruch verbrannte, wobei er mich in seiner groben, kunstlosen Art wissen ließ, daß ich damit unserer Kirche nicht gedient ha be.
    Ein ähnliches Schicksal war in Philippi meiner Widerlegung aller Häresien beschieden, wie ich hörte, obwohl in Privatbibliotheken zu Damaskus und anderswo noch Exemplare davon vorhanden sein sollen, wie auch von meiner Erklärung des Kosmos, die, wenngleich vielleicht noch unreif und bei der Lobpreisung der Sophia für meinen heutigen Geschmack eine Spur zu schwärmerisch, doch stellenweise gewiss höchst verdienstvoll ist; ganz zu schweigen von meinem einflussreichen Märtyrerkatalog mit ihrer gelehrten Erörterung des Throns, der Kronen, des Wagens, des Diadems und dergleichen Dinge mehr. Eine gewisse Entfremdung meinerseits auch von diesem ebenfalls ziemlich schwärmerischen Werk kann ich nicht leugnen (erinnere mich aber nicht ungern, daß seinerzeit dessen griechischer Stil von vielen gerühmt wurde).10 Es hat mich jedenfalls gefreut zu hören, daß man in Ephesus noch ein Exemplar meiner Arkadischen Oden hat, die, wie ich sagen muss , in den literarischen Kreisen Alexandriens einst sehr gut aufgenommen wurden, sowie ein Exemplar meines glänzenden Epos, der Hebraika, das, da mache ich mir nichts vor, gewiss alle meine theologischen Abhandlungen lange überleben wird. (Du wirst noch wissen, daß kein Geringerer als Zechariah bar-Sirach11 persönlich die Hebraika für das beste Werk seiner Gattung seit den Psalmen Davids hielt; und obwohl du es in keinem deiner vielen Briefe an mich je erwähnt hast, hatte ich immer den Verdacht, daß du es, wenn auch widerwillig, gleichwohl bewunderst. Warum können wir uns von solch falschem Stolz nicht endlich frei machen?)
     
    7. Aber nun zu der nie ermüdenden Geschichte, die der Gegenstand dieses Schreibens ist: Klio, möge uns deine feste Hand stets das Schreibrohr führen!
    Bedauerlicherweise habe ich,

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