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Der dreizehnte Apostel

Der dreizehnte Apostel

Titel: Der dreizehnte Apostel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilton Barnhardt
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in Anbetracht der Tatsache, daß du dich bei den Römern herumtreibst, die unsereinen nur begünstigen, um ihn vielleicht schon im nächsten Augenblick desto besser kreuzigen zu können, keine Ahnung, ob du überhaupt noch unter den Lebenden weilst, während ich dieses Schreiben an dich diktiere. Vielleicht bist du ja auch umgekommen, weil wieder in irgendeiner Gasse Cae sareas ein umgekippter Topf Skandal gemacht hat, oder haben dich irgendwelche verzweifelten Veteranen der Sikarier niedergemetzelt.12 Andererseits, warum solltest du dich nicht wohlgenährt des Lebens freuen, der du nun ja Herr auf meinem früheren Gute bist, unserem Familienbesitz, der von Rechts wegen mir gehört und den du dir, wie hier für alle Zeiten festgestellt sei, widerrechtlich angeeignet hast!
     
    8. Ich verspreche, mich bei diesem Punkt, dem neuesten unserer Streitpunkte, nicht allzu lange aufzuhalten, aber obwohl seitdem schon sechs Jahre ins Land gegangen sind, erzürnt es mich noch immer, daß dir die Römer zur Belohnung für deine guten Dienste den Besitz überschrieben haben und du dann meine nazaräische wohltätige Stiftung von dem Besitz vertrieben hast. Versteh mich bitte recht: Nicht um meinetwillen und aus verletzter Eigenliebe verüble ich dir, daß du durch deine Intrigen bei den Römern erreicht hast, daß sie dir, dem Jüngeren, den Besitz zuerkannten, der mir, als dem Erstgeborenen, von Rechts wegen zustand.13 Ich bedaure vielmehr die Waisen und die Alten, die Jungfrauen und Gelehrten, die ich dort untergebracht hatte.
    In der Tat rieche ich hinter dieser Transaktion das schale Parfüm und den weingeschwängerten Atem meiner ungeliebten Stiefmutter, der schlecht gewählten zweiten Frau meines Vaters! Diese Frau, deine Mutter, eine nie versiegende Quelle giftiger Gehässigkeit gegen mich, hat dich zweifellos zu dieser Tat angestiftet. Obwohl sie Jerusalem selten verließ, wo sie und unser Vater die letzten Jahrzehnte ihres Lebens verbrachten, hat es sie doch gewurmt, daß dieses Landgut diesem höheren Zweck geweiht worden war. Und als dann Jerusalem in Trümmern lag, warf sie natürlich, wie auf unseres Vaters Geld, ein begehrliches Auge auch auf diesen Besitz. Deine überraschende Entscheidung, aus der Priesterschaft auszuscheiden und im Alter von neunundzwanzig Jahren, ohne darin früher Erfahrung gesammelt zu haben, eine militärische Laufbahn zu wählen, brachte sie nur noch mehr auf gegen das »ekelhafte nazaräische Pack« , wie sie, deiner Zustimmung ge wiss, meine Glaubensgenossen zu nennen liebte. Ekelhaftes Pack? Nun, wenn das einer findet, der Jahre damit vergeudet hat, vor Nero Caesar und seinem verhurten Weibe zu kriechen in dieser Jauchegrube aller widernatürlichen Laster zu Rom, in Gesellschaft von Hofschranzen, für die der Name »ekelhaftes Pack« gewiss noch viel zu gut wäre! Wäre doch dein enterbter Bruder, der das Blut mit dir teilt, dir so wert!
    Aber ich will hier wahrlich nicht mit dir streiten.
     
    9.
    Geh hin und besitze den verfluchten Besitz, sogar mit meinem Segen. Freue dich des elenden ruinierten Judäa. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Zeloten, die Rabbis, die Söhne Zadoks und all die Messiasse, die jede Woche neu wie Unkraut aus den Trümmern des Tempels sprießen, dir viel Frieden gönnen werden. Als Judäer haben sie sich jahrhundertelang über nichts, aber auch gar nichts einigen können, bis endlich deine Schande auf die Tagesordnung kam. Da wir derart beide von der Welt, die wir einst bewohnten, verabscheut und geschmäht werden, sollten wir uns doch wohl wie Jakob und Esau zu Sichern14 miteinander versöhnen! In sicherem Besitz des Landguts – das du geraubt wie den Gürtel der Hippolyta – lasse Streit und Gehässigkeit zwischen uns enden, und lasse uns miteinander reden als Männer der nämlichen Familie. Oder besser noch, als die Gelehrten, die wir sind!
     
    10.
    Und wahrlich, alt wie ich bin, liegt mir wenig daran, ob du mich liebst oder nicht, vielmehr lege ich, wie alle al ten Leute, Wert darauf, daß du dir anhörst, was ich dir zu sagen habe. Du magst wenig Zuneigung zu dem älteren Bruder haben, der dich erzog und in deinen Studien ermutigte, du magst mich noch immer für dumm und verantwortungslos halten, meine Forschungen als lächerlich und die Werte des Meisters als dem Untergang geweiht betrachten. Aber wenigstens sieh dir an, was ich gesehen ha be; bedenke, daß ich nach Tarsus und Tyrus gereist bin, auch nach Antiochien und Alexandrien, daß ich mit

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